Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Haus des Wurms

Im Haus des Wurms

Titel: Im Haus des Wurms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
Visier gesehen, in einem hellen Gelbrot. Die Pilzstücke, die immer noch an der zerrissenen Kleidung hingen, waren wie Klumpen aus gelbem Feuer.
    Nach etwa einer Stunde begegnete er dem ersten lebendigen Graun. Das sechsgliedrige Scheusal glühte dunkelrot, weniger hell als er. Er sah es als leuchtenden Punkt am Rand seines Gesichtsfeldes aus einer Seitenhöhle auftauchen. Annelyn schlich an die Wand und ertastete den Weg, als wäre er blind. Das Ungeheuer heftete sich an seine Fersen und wurde immer kühner. Es war groß, wie Annelyn feststellte. Die Kleider hingen wie eine lockere zweite Haut über ihm. In einem seiner Fänge baumelte ein Netz, in dem anderen hielt es ein Messer. Annelyn fragte sich, ob es vielleicht derselbe Graun war, dem er vorher begegnet war.
    Vor dem Absatz einer engen Wendeltreppe blieb Annelyn stehen, tastete mit den Händen herum und drehte sich um. Der Graun kam auf weichen Pfoten leise näher und hob das Messer. Annelyn hatte überhaupt keine Angst mehr. Er war bereit, im rechten Augenblick anzugreifen. Er klammerte die Hand um seinen mit Glas bespickten Schläger. Das Scheusal rückte näher. Jetzt könnte er es umbringen… doch er sträubte sich. »Bleib stehen, Graun!« sagte er, ohne eigentlich zu wissen, warum.

    Der Graun sprang zurück, erstarrte und stieß ein paar kehlige Laute aus, die Annelyn nicht verstand. »Ich kann dich hören«, sagte der Junge, »und ich kann dich sehen, Graun. Ich trage eine Rune der Meister.« Er zeigte auf das goldene Theta an seiner Brust.
    Der Graun wurde von Panik ergriffen, ließ das Netz fallen und rannte los. Annelyn verspürte fast Mitleid und ärgerte sich darüber, daß er mit dem Theta gedroht hatte.
    Impulsiv beschloß er, dem Graun zu folgen. Vielleicht würde er ihn zu einem Ausgang führen. Wenn nicht, so konnte Annelyn immer noch den Weg über die Treppe wählen.
    Nach einer Verfolgungsjagd durch drei verschiedene Gänge verlor er das Ungeheuer aus den Augen. Der Knöchel schmerzte immer noch und hinderte ihn daran mitzuhalten. Trotzdem lief er weiter, in der Hoffnung, die Spur wiederfinden zu können.
    Plötzlich tauchte das Wesen wieder auf, es kam auf ihn zugestürzt. Es sah ihn, bremste, blickte über die Schulter.
    Dann galoppierte es wild entschlossen mit geducktem Kopf auf vier Gliedern weiter, in einem der beiden anderen Glieder das gezückte Messer.
    Annelyn holte mit dem Schläger aus, aber der Graun rannte unvermindert schnell auf ihn zu. Von einer plötzlichen Eingebung geleitet, langte Annelyn in die Tasche, kramte das letzte Streichholz heraus und zündete es an.
    Der Graun kreischte auf. Mit gespreizten Gliedern bremste er, über den Boden rutschend, ab. Aber das war nicht die einzige Überraschung. Auch Annelyn wurde von der aufblitzenden Grelle geblendet. Er ließ das Streichholz fallen, röchelte und taumelte. Beide standen blinzelnd einander gegenüber.

    Aber da bewegte sich etwas anderes. Ein kalter, grauer Schatten kroch auf den Graun zu, Stück für Stück, Stück für Stück.
    Annelyn schüttelte benommen den Kopf und riß die Augen auf. Ein Freßwurm, deutlich zu erkennen.
    Tollkühn sprang er an dem Graun vorbei und schleuderte die glasbespickte Waffe in das kontraktierende Maul des Angreifers. Dann drehte sich Annelyn um und brachte den Graun mit einem Fußtritt in Bewegung.
    Gemeinsam rannten sie los, stürmten auf Umwegen durch das Tunnellabyrinth und fielen erst dann in ein gemächlicheres Tempo zurück, als sie sich außer Gefahr wähnten. Vor einem schmalen Treppengang blieben sie stehen.
    Der Graun sah ihn an. Annelyn stand mit leeren Händen vor ihm.
    Der Graun hob das Messer und neigte den Kopf zur Seite. Annelyn ahmte die Bewegung nach, was dem Ungeheuer offensichtlich gefiel. Es steckte das Messer weg, hockte sich auf den staubigen Boden und fing an, eine Skizze zu malen.
    Der Finger des Grauns hinterließ leuchtende Spuren, die eine Weile sichtbar blieben, sich aber dann rasch auflösten. Die dargestellten Zeichen waren für Annelyn unverständlich. »Nein«, sagte er und schüttelte den Kopf.
    »Ich kann dir nicht folgen.«
    Der Graun blickte auf. Dann erhob er sich, gestikulierte und stieg die ersten Stufen der Treppe hinauf. Er warf einen Blick zurück, um festzustellen, ob Annelyn folgte.
    Der Junge folgte.
    Nach dieser Treppe stiegen sie eine zweite hinauf, gingen durch eine Reihe von breiten Höhlen und kletterten über rostzerfressene Leitern durch enge Schächte. Der Weg führte durch

Weitere Kostenlose Bücher