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Im Haus des Wurms

Im Haus des Wurms

Titel: Im Haus des Wurms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Rache am Fleischbeschaffer wollte Annelyn gut gerüstet sein.
    Dann durchsuchte er den Raum nach etwas Eßbarem.
    Er fand schließlich ein Proviantlager mit gepökelten, aufgehängten Fleischstreifen, gutes weißes Graunfleisch, aber auch Stücke von anderer Beute. Trotz seines Heißhungers konnte Annelyn nichts davon essen. Er begnügte sich mit einer Schüssel voll gewürzter Spinnen und einem Teller Champignons.
    Nach dieser Mahlzeit ruhte er auf einem der fahrbaren Betten aus, war aber zu müde und ängstlich, um schlafen zu können. Statt dessen blätterte er in einem Buch, das aufgeschlagen neben dem Thron gelegen hatte. In dem mit starkem Leder eingebundenen Deckel waren ein Theta-Zeichen und andere Symbole eingraviert. Die Seiten sahen sehr mitgenommen aus. Einige fehlten ganz, manche waren feucht und verschimmelt. Den noch lesbaren Fragmenten konnte Annelyn keinen Sinn entnehmen. Die Symbole erinnerten vage an die Schriften in den vernachlässigten Bibliotheken des Menschwurms. Annelyn hatte zwar von Vermyllar ein wenig lesen gelernt, der wiederum von seinem Großvater in dieser geheimnisvollen Kunst unterrichtet worden war, aber es half nichts. Hier und da konnte er ein einzelnes Wort entziffern, aber nie zwei Worte hintereinander.
    Selbst die Illustrationen blieben für ihn ein Rätsel aus wirren Strichen.
    Annelyn legte das Buch zur Seite. Aus dem Luftschacht drangen Geräusche zu ihm herüber. Er stand auf, nahm den Helm und das Rapier und verließ den Raum, um im Dunkeln zu warten.
    Bald darauf tauchte der Fleischbeschaffer auf. Er trug den Anzug aus weißen Graunhäuten und das farblose Cape. Über seiner Schulter hing der mit Spinnenseide gefesselte Körper eines Kindes. Es war ein Junge der Yaga-la-hai.
    Annelyn trat einen Schritt nach vorn.
    Erschrocken blickte der Fleischbeschaffer auf. Er hatte gerade die Beute von der Schulter losbinden wollen.
    Blitzschnell zog er das Messer.
    »Aha«, sagte er. »Du also.«
    »Ja, ich«, sagte Annelyn. Er drohte mit dem ausgestreckten Rapier, während der freie Arm den Helm umklammert hielt.
    »Ich habe ein neues Seil in den Schacht gehängt und nach dir gesucht«, sagte der Fleischbeschaffer.
    »Das konnte ich mir denken«, entgegnete Annelyn.
    »Deshalb bin ich geflohen.«
    »Ja«, sagte der Fleischbeschaffer und lächelte. »Ich fürchtete schon, du wärst für immer verschwunden. So ist es besser. Die Grauns werden für dein Fleisch gut bezahlen. Übrigens, deine Freunde haben hervorragend geschmeckt. Bis auf den Ritter. Der war leider etwas zäh.«
    »Ich bin schon daraufgespannt, wie du schmeckst«, sagte Annelyn. Der Fleischbeschaffer lachte.
    »Ich glaube jedoch, dein Fleisch ist faul«, fuhr Annelyn fort. »Deshalb werde ich es lieber den Freßwürmern vorwerfen.«
    »So, so«, meinte der Fleischbeschaffer. »Du hast also deinen berühmten Witz noch nicht verloren.« Er verbeugte sich. »Die Beute auf meiner Schulter hindert mich. Darf ich sie losschneiden?«
    »Natürlich«, sagte Annelyn.
    »Ich will sie nach innen bringen, damit sie uns nicht im Weg liegt«, sagte der Fleischbeschaffer. »Wir könnten sonst ins Stolpern geraten.«
    Annelyn nickte, wich ihm vorsichtig aus und unterdrückte ein Grinsen. Er wußte, was der Fleischbeschaffer vorhatte. Der häßliche Mann durchtrennte mit dem Messer den Strick, der das Kind auf den Rücken band, und legte den Körper hinter das Tor. Dann wandte er sich, umrahmt von violettem Licht, wieder Annelyn zu. Lachend sagte er: » Yaga-la-hai und Grauns sind sich so ähnlich. Tiere, sowohl die einen als auch die anderen.« Er langte an das große Tor und warf es zu. Das Klirren des Schlosses klang Annelyn noch vom ersten Mal im Ohr.
    »Ja, sie ähneln sich«, sagte Annelyn. »Sind aber keine Tiere.« Er setzte den Helm auf. Die Dunkelheit verflog wie dichter Nebel.
    Der Fleischbeschaffer war lautlos zur Seite gesprungen.
    Ein breites Grinsen verzerrte sein Gesicht. Mit gezücktem Messer schlich er auf Annelyn zu.
    Wäre Annelyn – so wie der unglückliche Groff – auf die Stelle zugesprungen, wo der Fleischbeschaffer noch kurz vorm Zuschlagen des Tors gestanden hatte, so wäre er ihm ins offene Messer gerannt. Ein abgefeimter Trick.
    Aber Annelyn konnte sehen. Dunkelheit und Täuschung blieben ohne Wirkung. Und Annelyns Rapier war länger als das Messer des Fleischbeschaffers.
    Annelyn drehte das Gesicht dem Feind zu, lächelte furchtlos und stürzte auf ihn zu. Der Fleischbeschaffer hatte kaum Zeit zum

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