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Im Haus des Wurms

Im Haus des Wurms

Titel: Im Haus des Wurms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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weitere Gänge. Der Graun ging voran und blickte sich hin und wieder um.
    Annelyn trottete gehorsam hinter ihm her. Er war nervös, beruhigte sich aber mit dem Gedanken, daß ihn der Graun längst hätte umbringen können, wenn dies seine Absicht gewesen wäre. Sie trafen jetzt auf andere Grauns. Annelyn sah eine knöchrige,|tote Gestalt mit einem langen Schwert und einem fehlenden Glied. Vor einer Kreuzung kauerten zwei, bewaffnet mit Messern.
    Sie musterten ihn durch unheimliche augenlose Hautgruben. Später passierten Annelyn und sein Begleiter eine Gruppe von Grauns. Manche von ihnen trugen Gewänder, die bis zum Boden reichten und in vielen Farben schillerten. Alle wichen ein paar Schritte zurück. Annelyn entdeckte auch Wurmlöcher. Die meisten waren dunkel und kalt, aber einige umflutete ein fahler Lichtkranz, was den Jungen erschaudern ließ.
    Nach weiteren Anstiegen und Abzweigungen – Annelyn hatte längst aufgehört, sich den Weg zu merken – kamen sie in eine große Kammer. Ein Dutzend Grauns hockte an langen Metalltischen über dampfenden Schüsseln und schaufelte sich Essen in die Mäuler. Sie nahmen Annelyn gleichgültig zur Kenntnis.
    Der Junge roch den Duft der Speise – ein Pilzbrei; typische Fackelpflegernahrung – und verspürte plötzlich schrecklichen Hunger. Aber niemand bot ihm eine Schale an. Sein Begleiter sprach mit einem Graun, ein eklig fettes Individuum mit enorm deformiertem Kopf.
    Schließlich schob das Monstrum – es mußte noch um etliches schwerer sein als Groff, dachte Annelyn – die dampfende Schüssel zur Seite, stand auf und kam auf den Jungen zu. Während es den Eindringling musterte, fuhr sein Kopf auf und ab, auf und ab. Annelyn biß die Zahne zusammen und unterdrückte seinen Ekel, als er von zwei weichen Handpaaren betatscht wurde. Doch es war halb so schlimm, wie er erwartet hatte. Der Graun kam ihm, wie er sich plötzlich eingestehen mußte, fast wie eine Person vor und nicht wie ein Ding.
    Das Monstrum legte den Kopf auf die Schulter. Der Junge erkannte die Geste wieder und tat desgleichen.
    Nun faltete der Graun vier Hände zu einer riesigen Faust zusammen, die er auf und nieder schwang. Mit seinen beiden Händen ahmte Annelyn, so gut es ging, die Bewegung nach.
    Dann zeigte der Graun mit einem ausgestreckten Finger nach oben und klopfte sich mit der anderen Hand an die Brust. Annelyn wollte auch dieses Zeichen imitieren, aber der Graun hielt ihn davon ab. Um einen bloßen Sehtest handelte es sich offenbar nicht. Annelyn blieb still.
    Der Graun hielt zwei Finger der Hand eines oberen Gliedes nach oben, streckte die beiden Mittelglieder zu beiden Seiten hin aus und schüttelte den massigen Rumpf. Dann hob er auch die Hand des zweiten oberen Gliedes und spreizte drei Finger ab. Der Graun blickte von einer Hand zur anderen und wiederholte die Geste.
    In dieser Verrenkung blieb er stehen und sah Annelyn fragend an.
    Annelyn blickte von der oberen Rechten des Grauns (zwei Finger) zur oberen Linken (drei) und erinnerte sich an die Worte des Fleischbeschaffers. Er hob die eigene Hand mit drei ausgestreckten Fingern.
    Der Graun ließ alle Glieder wieder sinken, und sein immenser Rumpf fing erneut zu zittern an. Er wandte sich einem Artgenossen zu und sprach mit weicher, klagender Stimme. Annelyn konnte dem Gespräch nicht folgen, hoffte aber, daß er sich verständlich gemacht hatte.
    Schließlich ging der Anführer zurück an den Tisch, nahm Platz und beugte sich über seinen Pilzbrei.
    Annelyns Begleiter faßte den Jungen am Ellenbogen und forderte ihn auf zu folgen. Gemeinsam verließen sie die Kammer und marschierten durch ansteigende Höhlen nach oben.
    Der Weg führte über Leitern und Treppen, durch lange Gänge, vorbei an entlangschlurfenden, vor sich hinmurmelnden Grauns. Annelyn spürte immer mehr das Ausmaß seiner Erschöpfung. Die letzten Kraftreserven, die ihn bis jetzt hatten durchhalten lassen, nahmen rapide ab. Der Knöchel schmerzte, die Wade schmerzte, die Hände schmerzten, er war ausgehungert, ausgedörrt und schmutzig und sehnte sich nach Ruhe und Schlaf. Aber der Graun trieb ihn unbarmherzig voran, und Annelyn hatte alle Mühe mitzuhalten.
    Er nahm kaum Notiz von den Höhlen, die sie durchschritten, und nahm nur bruchstückhaft einige Dinge wahr.
    Einmal zum Beispiel gingen sie durch einen schmalen Tunnelschlund, der so gespenstisch und unheimlich war, daß es Annelyn fröstelte. Im düsteren Licht erkannte der Junge pechschwarze Rohrleitungen unter

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