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Im Haus des Wurms

Im Haus des Wurms

Titel: Im Haus des Wurms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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ihr von Planeten; Ländern, die dort draußen bei den weit entfernten Sternen lagen. Und sie erklärte, daß alle Geschenke, die sie Shawn gemacht hatte, von solchen Ländern stammten, die hinter dem Eiswagen lagen: Maske und Spiegel kamen von Jamiesons Welt, Bücher und Würfel von Avalon, das Armband von Hoch-Kavalaan, die Öle von Braque, die Gewürze von Rhiannon, Tara und Alt-Poseidon, die Stiefel von Bastion, die Figürchen von Chul Damien und die goldene Flüssigkeit von einem so fernen Land, daß nicht einmal Morgan den Namen kannte. Nur der fein gearbeitete Windwolf sei hier, auf Shawns Welt, gemacht worden, sagte Morgan. Den Windwolf hatte Shawn immer besonders gerne gemocht, aber jetzt stellte sie fest, daß er ihr nicht halb so gut gefiel, wie sie das angenommen hatte. Die anderen Gegenstände kamen ihr nun viel aufregender vor. Shawn hatte immer reisen wollen, ferne Familien in weitab gelegenen, unbekannten Himmelsstrichen besuchen, Seen und Berge ansehen.
    Aber sie war zu jung gewesen, und als sie endlich die Schwelle zum Frauenalter überschritten hatte, wollte Creg sie nicht gehen lassen; sie sei zu langsam, sagte er, zu furchtsam, zu verantwortungslos. Sie sollte ihr Leben zu Hause verbringen, wo ihre mäßigen Fähigkeiten Carinhall am ehesten von Nutzen sein konnten. Selbst ihre schicksalsreiche Reise, die sie schließlich hierher geführt hatte, war nicht mehr als ein glücklicher Zufall gewesen: Lane hatte darauf bestanden, und Lane war von allen der einzige, der stark genug war, Creg zu widersprechen – Creg, der Stimme von Carin.
    Doch Morgan machte für Shawn die Reisen möglich: Segelfahrten zwischen den Sternen. Wenn das blaue Feuer auf der eisigen Landschaft des Tiefwinters flackerte, das Geräusch aus dem Nichts ertönte und anschwoll, höher und höher, rannte Shawn aufgeregt zum Fenster, wo sie mit steigender Ungeduld darauf wartete, daß das Farbflirren sich klärte. Morgan bescherte ihr alle Berge und Seen, von denen Shawn träumte, und noch vieles mehr. Durch das fehlerhafte Glas des Fensters entdeckte Shawn die Landschaften von allen Geschichten: Alt-Poseidon mit seinen verwitterten Docks und seinen Flotten aus silbernen Schiffen, die Wiesen von Rhiannon, die schwarzen Stahl-Gewölbetürme von ai-Emerel, die windreichen Ebenen und zerfurchten Hügel von Hoch-Navalaan und die Inselstädte Port Jamieson und Jolostar auf Jamiesons Welt. Shawn lernte die Städte durch Morgan kennen, und auf einmal sah sie die Ruinen am Fluß mit ganz anderen Augen. Sie lernte andere Lebensformen und Gesellschaften kennen, erfuhr von Beamten und Gesetzen und Bruderschaften, von Aktiengesellschaften und Sklaverei und dem Militär. Die Carin-Familie kam Shawn nicht länger als der Beginn und das Ende menschlicher Beziehungen vor.
    Von allen Orten, zu denen sie segelten, kamen sie am häufigsten nach Avalon, und Shawn lernte diese Welt am meisten lieben. Auf Avalon war der Landeplatz stets voller anderer Wanderer. Shawn konnte das Kommen und Gehen von Schiffen auf den Stäben aus blaßblauem Licht beobachten. Und in einiger Entfernung konnte sie die Akademie des Menschlichen Wissens entdecken, wo Kleronomas seine Geheimnisse deponiert hatte, um sie von Morgans Familie treuhänderisch hüten zu lassen. Die schroffen Glastürme erfüllten Shawn mit einem Verlangen, das eher einem Schmerz glich; einem Schmerz aber, nach dem sie sich sehnte.
    Manchmal – auf vielen Welten, besonders aber auf Avalon - wollte es Shawn so scheinen, als sei ein Fremder gerade im Begriff, ihr Schiff zu betreten. Sie beobachtete aufmerksam, wie er sich näherte, wie er zielbewußt über die große Fläche lief, kein Schritt ließ einen Zweifel an seinem Ziel offen. Aber er kam nie an Bord, zu Shawns großer Enttäuschung. Außer Morgan gab es nie jemanden, der Shawn berührte oder mit ihr sprach. Das Mädchen dachte sich, daß Morgan die Besucher in spe wegzauberte oder aber sie mittels ihres bösen Blicks ihren Wünschen gefügig machte. Shawn konnte sich nicht für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden. Morgan war so rätselhaft, daß möglicherweise beide zutrafen. Während eines Mittagessens erinnerte sich Shawn an Jons Geschichte vom Kannibalenhaus. Erschreckt starrte sie auf das rote Fleisch, das sie aßen. Bei dieser Mahlzeit nahm sie nur noch Gemüse zu sich, und auch während der nächsten, bis sie endlich zu dem Schluß kam, daß sie sich kindisch aufführte. Shawn dachte daran, Morgan zu fragen, was aus den Fremden

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