Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Haus meines Feindes

Im Haus meines Feindes

Titel: Im Haus meines Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
Vom Netzwerk:
Einsiedler, der in den Sümpfen hauste und Alligatoren jagte, und eine schöne Frau vorkamen. Und um dieses verrückte Ensemble zu komplettieren, hatte er selbst die Rolle eines Priesters gespielt.
    Gott sei Dank, daß der Alptraum vorüber war.
    Aber als er jetzt die Augen öffnete, sah er nicht die Lamellen der Läden an den Fenstern, die auf den Innenhof seines Stadthauses hinausführten. Statt dessen sah er zwei häßliche Vorhänge, die zipfelig an einer angelaufenen Messingstange hingen. Schwaches graues Licht drang zögernd durch den ausgebleichten bedruckten Baumwollstoff. Bleischwere Regentropfen klatschten von der Traufe des Hauses, in dem er die Nacht verbracht hatte.
    Er hatte seine Lebensretter gesegnet. Er hatte sich überschwenglich für ihre Gastfreundschaft bedankt. Sie hatten ihrerseits seinen Segen für ihren Sohn und dessen hochschwangere Cousine zweiten Grades erbeten. Pater Gregory sah keinen anderen Ausweg und erklärte sich damit einverstanden, die Trauung vorzunehmen.
    Sie sollte heute stattfinden. Hoffentlich konnte er sich an alles erinnern, was er zu sagen hatte. Seine Zeit im Priesterseminar
schien Äonen zurückzuliegen. Aber das galt für sein ganzes Leben vor dem Tag, an dem Basile ihn auf der Männertoilette im City Park festgenommen hatte. Gregory verfluchte sein Pech. Was hatte ihn dazu gebracht, sich an diesem Abend im Park herumzutreiben? Warum war er nicht lieber ins Kino gegangen?
    Das hätte auch nichts genützt, überlegte er sich trübselig, während er seine schmutzigen Sachen anzog. Früher oder später hätte Basile ihn für seinen Privatkrieg gegen Pinkie Duvall rekrutiert. Basile hatte jemanden gebraucht, der über seine einzigartige Kombination von Fähigkeiten verfügte. Wenn Basile ihn nicht im Park gestellt hätte, hätte er ihm anderswo aufgelauert.
    Nachdem Gregory sich in dem halbblinden Spiegel begutachtet hatte, verließ er das Schlafzimmer. Die Familie war in dem großen Raum versammelt, der durch eine Theke von der Küche getrennt war. Der Bräutigam saß dort und löffelte schmatzend Cornflakes in sich hinein; die Braut drehte ihre Haare mit Lockenwicklern auf.
    Die Hochzeitsvorbereitungen liefen auf Hochtouren. Gregory bekam einen Becher Kaffee in die Hand gedrückt und wurde den Großmüttern, Tanten und Nichten vorgestellt, die vorzeitig gekommen waren, um mitzuhelfen, damit alles fertig war, wenn die Gäste eintrafen. Der Regen wurde gutmütig verflucht; Gregory wurde aufgefordert, ein gutes Wort einzulegen, damit Gott wenigstens nachmittags die Sonne scheinen ließ. Er lächelte matt und versprach, die Bitte weiterzuleiten.
    Vom Herd gingen köstliche Kochdüfte aus, die das ganze Haus erfüllten. Bierkästen wurden auf den Schultern stämmiger Verwandter hereingeschleppt. Gregory, der sich möglichst unauffällig verhielt, ging von einem Fenster zum anderen, starrte in den Regen hinaus und versuchte einen Fluchtweg zu finden. Nachts hatte er den Eindruck gehabt, das Haus liege auf einer Insel. Jetzt stellte er erleichtert fest, daß es in Wirklichkeit
an der Spitze einer schmalen, ungefähr fünfzig Meter langen Halbinsel stand, auf die eine mit Muschelgranulat befestigte Stichstraße vom Festland hinausführte.
    Etwa ab Mittag füllte sich das Haus mit Freunden und Verwandten, die alle Essen mitbrachten: Gumbo und Langusten, Andouille- und Boudin-Würste, Shrimp Creole, Reis mit roten Bohnen, geräuchertes Schweinefleisch und sogar eine mehrstöckige Kokostorte, auf der ein Plastikbrautpaar stand.
    Von ihrer lebhaften Unterhaltung verstand Gregory nur wenig. Offenkundig war jedoch, daß sie eine verschworene Gemeinschaft bildeten, in der er ganz entschieden der einzige Außenseiter war. Jeder Neuankömmling musterte ihn erst einmal mißtrauisch. Er bemühte sich, ihr Mißtrauen durch ein gütiges Lächeln zu zerstreuen, wußte aber nicht, ob es überzeugend wirkte, weil sein Gesicht noch immer aussah, als wäre ein ganzes Footballteam darübergetrampelt. Keiner der Angehörigen oder Hochzeitsgäste fragte, weshalb er bereit war, eine Trauung zu vollziehen, die andere Priester aus moralischen Gründen abgelehnt hatten. Als er den Trauschein unterschrieb, murmelte der Vater einen Dank.
    Auch wenn sie den Fremden nicht mit offenen Armen aufnahmen, machte ihnen das gesellige Beisammensein untereinander

Weitere Kostenlose Bücher