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Im Haus meines Feindes

Im Haus meines Feindes

Titel: Im Haus meines Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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Remy noch zu jung gewesen und hatte zuviel Angst vor dem betrunkenen Grölen auf der Straße und in den Nachbarwohnungen gehabt, um ihr Alleinsein schätzen zu können.
    Hier in der Kathedrale war sie allein und in Sicherheit. Sie genoß die Stille, die Ruhe. Flackernder Kerzenschein und leise Orgelmusik erzeugten eine beruhigende Atmosphäre. Sie genoß die Illusion, einmal nicht unter Beobachtung zu stehen.
    Heute bat sie Gott in ihrem Gebet um Klugheit und Mut. Sie brauchte Klugheit, um einen Plan zum Schutz Flarras auszuarbeiten, und Mut, um ihn in die Tat umzusetzen. Vorläufig war Flarra sicher im Internat untergebracht und würde dort bis zum Ende ihrer Schulzeit bleiben. Aber was dann? Auch wenn sie dieses Problem in Gottes Hände gelegt hatte, konnte sie nicht aufhören, sorgenvoll darüber nachzugrübeln.
    Zuletzt bat sie um Vergebung oder versuchte es zumindest. Die Worte wollten nicht kommen. Sie konnte sich nicht einmal selbst die Sünde eingestehen, die auf ihr lastete und ihr allen Lebensmut nahm, so daß ihre Umgebung sie für krank hielt. Manche Sünden waren zu schwer, als daß man sie vor Gott hätte bekennen können. Wie sollte er ihr vorgeben, wenn sie sich selbst nicht vergeben konnte?
    Ein Blick zum Beichtstuhl zeigte Remy, daß darin jetzt Licht brannte. Der Priester erwartete sie. Sie verließ ihre Bank, betrat den Beichtstuhl und zog den Vorhang hinter sich zu.
    Â»Segnen Sie mich, Pater, denn ich habe gesündigt. Zuletzt war ich vor einer Woche bei der Beichte.«
    Sie zählte einige läßliche Sünden auf, aber damit versuchte sie nur, Zeit zu gewinnen, um den Mut aufzubringen, ihre schwere Sünde zu bekennen. Bisher hatte sie mit keinem Menschen darüber reden wollen – nicht einmal mit einem Geistlichen. Sie spürte seine Gegenwart auf der anderen Seite des Gitters, fühlte ihn geduldig warten.

    Schließlich hüstelte er leise und räusperte sich. »Sonst noch etwas, meine Tochter?«
    Â»Ja, Pater.«
    Â»Dann sprich.«
    Vielleicht würde sie endlich Frieden finden, wenn sie darüber redete. Aber bei dem Gedanken, ihr Geheimnis ausplaudern zu müssen, wurde ihre Kehle plötzlich trocken, und ihr Herz jagte. Tränen trübten ihren Blick. Sie schluckte krampfhaft und begann: »Vor einigen Monaten bin ich schwanger geworden. Aber ich habe es meinem Mann nicht gesagt.«
    Â»Das ist eine Unterlassungssünde.«
    Â»Ich weiß«, sagte sie leise. »Aber ich … ich kann nicht. Ich befinde mich in einem Konflikt, Pater.«
    Â»Weshalb?«
    Â»Wegen des Babys.«
    Â»Die Position der Kirche ist eindeutig. Ein Kind ist ein Geschenk Gottes. Willst du das Kind nicht?«
    Sie starrte den großen Solitär an ihrem linken Ringfinger an und flüsterte unter Tränen: »Es gibt kein Kind mehr.«
    Remy hatte gehofft, ihre Schuldgefühle würden augenblicklich von ihr abfallen, wenn sie diese Worte endlich laut aussprach, aber das war nicht der Fall. Statt dessen nahm der Druck in ihrer Brust zu, bis sie fürchtete, er könnte ihr die Rippen brechen. Sie bekam kaum noch Luft. Ihre hektisch keuchenden Atemzüge hallten im Beichtstuhl wider.
    Der Priester sagte ruhig: »Wie die Kirche zu Abtreibungen steht, weißt du natürlich auch.«
    Â»Es war keine Abtreibung. Ich hatte im zweiten Monat eine Fehlgeburt.«
    Er verarbeitete diese Antwort und fragte dann: »Worin liegt dann deine Sünde?«
    Â»Ich bin schuld«, sagte sie mit gebrochener Stimme. »Gott hat mich wegen meiner Undankbarkeit und Unentschlossenheit bestraft.«

    Â»Kennst du Gottes Ratschlüsse?«
    Â»Ich wollte mein Baby.« Sie rieb schluchzend ihren Bauch. »Ich habe es schon geliebt. Aber ich hatte Angst …«
    Â»Angst? Wovor?«
    Daß Pinkie seine Drohung wahrmachen und mich zur Abtreibung zwingen würde.
    Aber das war zu furchtbar, als daß sie es selbst einem Priester hätte beichten können. Pinkie hatte ihr nach ihrer Hochzeit unmißverständlich erklärt, daß sie keine Kinder haben würden. Punktum. Ende der Diskussion. Schluß der Debatte. Er wollte keine Konkurrenz. Und er wollte nicht, daß ihre Figur auch nur vorübergehend entstellt war. Er hatte gesagt, wenn sie den Drang verspüre, jemanden zu umhegen, könne sie ihn umhegen, ohne grotesk mißgestaltet zu werden.
    Als ihr Verhütungsmittel dann versagte und

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