Im Heimlichen Grund
Klammbach zu. Sie nahmen sich vor, jeden Sonntag das Grab der Ahnl aufzusuchen. Bald aber wurden sie durch die Umgebung auf andere Gedanken gebracht.
»Schau, Eva, die Königskerzen machen schon ihre Wipfelknospen auf; bald ist's aus mit der warmen Zeit. Und eh' der Winter kommt, muß ich uns warme Kleider schaffen. Ein paar Rehböck' oder ein paar Füchs' sollt' ich erwischen!«
»Alles wird werden zur rechten Zeit, wie die Ahnl selig g'sagt hätt'. Verlaß dich drauf. Es ist schon viel besser geworden, seit wir da sind im Heimlichen Grund. Jetzt wird's dann reife Haselnüss' geben und Kastanien; korbweis' werden wir's eintragen, gelt?«
Eva war so glücklich und voll Zuversicht, da sie heute Peter begleiten durfte.
Als sie nahe am Klammeingang den Bach durchwateten, fiel ihnen auf, daß er hier bedeutend wasserreicher war als oben bei den Höhlen. Er hatte den Moorbach bereits aufgenommen, aber wo?
Wohl sahen sie drüben ein tief eingerissenes Bachbett, aber sein dunkles Geröll war trocken, nur zwischen und unter den Steinen rieselte es leise.
Der Bachrand hüben und drüben war mit Schilf und Erlen bestanden. Also floß hier das Moorwasser unter dem Schotter des Steinfeldes. Hier war auch das Röhricht, aus dem Peter das Rohr für seine Pfeile geholt hatte.
Im feuchten Bachbett stiegen sie allmählich zum Hochmoor an.
Unwillkürlich musterten sie Sand und Steine. Da gab es rot und weiß gebänderte weichere Rundsteine – Marmor und daneben graues, aus geschichteten Glimmerblättchen zusammengesetztes Schiefergeröll mit roten Körnern – Granat –, auch gelbliche und weiße Hartsteine – Kiesel und Feldspat; die schönsten nahmen sie mit.
Am merkwürdigsten aber war der feuchte Sand, der in der Hauptsache aus weißglitzernden Glimmerplättchen bestand. Darunter gab es gelbe und wasserhelle, fast durchsichtige Kiesel, so groß wie Finkeneier, und dunkelrote, stumpfkantige Körner, die im Sonnenschein herrlich leuchteten. Es waren von Wasser und Sand angeschliffene Granate.
Peter gefielen die Steinchen, deren feierliches Rot ihn reizte. Immer wieder hob er eines auf, betrachtete es von allen Seiten und überlegte, was er damit anfangen könnte. Nichts konnte er damit anfangen; aber Eva nahm sie mit, weil sie gar so schön waren.
Einige hellrote, aber undurchsichtige, rauhe, lehmig abfärbende Steine – Rötel –, die Peter auflas, verrieten gleich, wozu sie taugten. Das war etwas zum Rotfärben der Haut,vielleicht auch zum Zeichnen auf Mergel. Das mußte er versuchen!
Vergnügt kamen die Wanderer unversehens zur Böschung, die zum Moor anstieg. Hier sahen sie das Wasser über einen niederen Steinriegel herabrieseln. Der war so dunkel wie der untere Teil der Felswand drüben; er gehörte zum Urgestein, dem die Kalkfelsen drüben aufgelagert waren. Nach links und rechts hin dehnte sich anschließend der lehmige Wall, der das Sumpfwasser staute.
An der rechten Seite des Bachbetts drangen sie durch Schilf, Buschwerk und Waldreben über feuchten Lehmboden und langten mit einem entzückten Ah! oben an, wo die braungrüne Ebene des Moores, durchsetzt mit Heidelbeerstauden und wehenden Flockensimsen, vor ihnen lag. Und wieder war es ein Brachvogel, der mit seinem Warnruf das Sumpfgeflügel vom Nahen einer Gefahr benachrichtigte. Unter dem aufgescheuchten Vogelwild waren drei kleine, langbeinige, schlankhalsige Nachtreiher mit spitzen Schnäbeln, ein mächtiger Fischreiher, etliche Rohrdommeln, eine Menge Wildenten und zwei schön gebänderte Wiedehopfe.
Wohl griff Peter zu Pfeil und Bogen, aber war es die Nähe Evas, die ihm an diesem Tag schon einmal das Töten verwehrt hatte, war es die Stimmung des heiligen Tages? – er ließ die Vögel unbehelligt.
Die beiden schlenderten am rechten Rand des Moores schweigend bergan, sie gingen Hand in Hand. Peter zeigte Eva die Stelle, wo er das Moor betreten, und den Tümpel, wo er den Enterich erbeutet hatte. Beim Stegbaum angelangt, versuchte Eva vergeblich, über die starrenden Wurzeln auf den Stamm zu gelangen; sie mußte auf ihren Schurz aus Vogelbälgen zu sehr achtgeben. Da hieb Peter mit seinem Faustkeil eine reichverästelte Wurzel ab, um eine Lücke zu schaffen. Eva, die rasch zugegriffen hatte undan der Wurzel zerrte und drehte, konnte sich nicht entschließen, sie wegzuwerfen, als sie endlich los war. Der starke, am Bruchende leicht gebogene Wurzelast erschien ihr handlich; als rundlicher Haken schmiegte er sich förmlich in die Linke, wenn die
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