Im Herzen der Feuersonne
Längen
schlagen!«
»Davon bin ich auch überzeugt.« Will lachte
leise. »Und wir haben zwanzig Fässer davon, stellt euch das vor! Dieser Jahrgang
wird jeden überzeugen.«
»Endlich mal wieder ein Lichtblick«, murmelte
Ben, bevor er das Glas langsam austrank.
Charlotte Ruhland ging erregt in ihrem
Schlafzimmer auf und ab. Seit drei Monaten zog sie es vor, allein zu schlafen.
Sie hatte sich ihr Boudoir neben Sebastians Zimmer eingerichtet. Immer wieder
ging sie hinüber, nahm die persönlichen Dinge ihres toten Sohnes in die Hand,
lieà sich auf seinem Bett nieder und weinte um ihr totes Kind.
DrauÃen tobte der Regen gegen die Scheiben, der
Wind zerrte an den Zweigen der alten Obstbäume, die immer noch in der Nähe des
Hauses standen und schon vor mehr als zwanzig Jahren reiche Früchte getragen
hatten. Bei diesem heftigen Wintersturm verloren sie die letzten Blätter.
Charlotte stieà einen leisen Seufzer aus. Ihr
Kopf schmerzte fast unerträglich, ihr war übel, und sie fror. Doch sie fror
meist â seit Sebastian nicht mehr lebte. Es war, als sei ihr Herz seitdem zu Eis
erstarrt. Diese Starre hatte mehr und mehr ihren ganzen Körper erfasst.
Es klopfte, gleich darauf trat Sina ein. »Hier
bist du.« Sie schüttelte den Kopf. »Du sollst dich doch nicht immer so vergraben
und traurigen Erinnerungen nachhängen. Das tut nicht gut.« Liebevoll legte sie
einen Arm um Charlotte.
»Was macht das schon?« Charlotte strich sich eine
weiÃe Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ist Will zurück? Hat er meine Medizin
besorgt?«
»Ja. Komm mit mir hinunter, im Kaminzimmer ist es
warm. Ich hab schon Tee gekocht. Dann kannst du deine Tropfen nehmen.« Sina zog
die Widerstrebende hoch.
»Wo ist Madeleine? Sie ist immer unterwegs. Nie
sucht sie sich eine Beschäftigung hier im Haus. Das Mädchen macht mir Kummer.
Wenn sie doch nur ein wenig so wäre wie â¦Â«
»Mach dir keine Sorgen«, fiel Sina ihr schnell
ins Wort, wie immer, wenn Charlotte zeigte, dass sie ihren verstorbenen Sohn auf
einen Podest erhoben hatte. Sebastian erschien ihr untadelig, ein Mensch ohne
Schwächen â was der junge Mann wahrhaftig nicht gewesen war. »Madeleine wollte
einen kleinen Spaziergang machen. Sicher ist sie schon wieder zurück. Sie hat ja
gewiss gemerkt, dass die Regenwolken rasch näher kamen.«
»Das sagst du so einfach!« Charlotte zog sich die
warme Stola fester um die Schultern.
Sina hatte tiefes Mitleid mit Charlotte. Und
wie sehr hatte sie die schöne, reiche Charlotte de Havelbeer einst beneidet! Um
ihre Herkunft, um Bens Liebe, um das groÃe Haus, dem sie vorstand! Vor allem
aber um die Zuneigung von Ben â dem Mann, dessen Bild auch jetzt immer noch in
Sinas Herzen war. Wie sehr hatte sie Ben geliebt â damals, als sie Hopeland gemeinsam aufgebaut hatten. Er ahnte nicht,
wie sehr sie gelitten hatte, als er ihr gestand, dass er Charlotte heiraten
würde. Natürlich, ihr Verstand hatte in jedem Moment, in dem sie zärtlich
miteinander gewesen waren, gewusst, dass sie, die Schwarze, und er keine
gemeinsame Zukunft hatten. Doch ihr Herz wollte nichts wissen davon. Das schlug
lange Zeit nur für ihn. Erst mit den Jahren war es Thabo gelungen, ihre Liebe zu
erringen. Die Zeit mit Ben kam ihr vor wie ein Traum, der immer mehr von hellen,
sanften Schleiern verweht wurde.
Sina biss sich auf die Lippen, als diese
Erinnerungen wieder einmal auftauchten, doch sie verscheuchte sie schnell. Sie
hatte in Thabo einen treuen, liebevollen Mann. Er machte sie glücklich, das
Leben mit ihm war erfüllend. Und doch â es verging kein Tag, an dem sie nicht an
Ben dachte. Und daran, was hätte sein können, wenn sie nicht durch Herkunft und
Hautfarbe getrennt worden wären. Aber das waren heimliche Gedanken, denen sie
keinen groÃen Raum gab. Es waren eben Träume. Flüchtig, wie die Wolken hoch
droben am Himmel. Nicht greifbar und doch ⦠wunderschön manchmal!
»Da seid ihr!« Ben war hereingekommen und trat
an den Kamin, um sich die Hände zu wärmen. Dann ging er zu Charlotte und wollte
sie mit einem Kuss begrüÃen, doch sie drehte das Gesicht zur Seite. Ben biss
sich auf die Lippen. Er achtete den tiefen Schmerz seiner Frau, er achtete ihre
Trauer. Auch er kam nicht über Sebastians Tod hinweg. Doch das war kein Grund,
alle anderen Menschen von sich zu
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