Im Herzen der Feuersonne
zitternd reckte sich der Kinderarm in die Höhe.
»Gleich â¦Â« Ben umfasste den schmalen Arm des
Jungen, so gut er konnte. Er wollte ihm nicht weh tun, musste aber seine ganze
Kraft aufwenden, um den Jungen aus der Vertiefung zu ziehen. Ein kräftiger Ruck
â und Will war in Sicherheit.
Während Sina ihren kleinen Sohn, dessen Kleider
vollkommen durchnässt und zerrissen waren, umarmte und ihn abtastete, ob er sich
nicht ernsthaft verletzt hatte, betrachtete Ben staunend den Wassertümpel zu
seinen FüÃen, ganz so, als hätte er ein weiteres Weltwunder entdeckt. Dann
begann er zu begreifen. »Eine Quelle! Sina, auf meinem Land gibt es eine
Quelle!« Er schrie es förmlich hinaus. Immer und immer wieder: »Wir sind
gerettet! Wir haben Wasser!« Im Ãberschwang der Gefühle war er nahe daran, Sina
in die Arme zu schlieÃen, hielt sich jedoch im letzten Moment zurück. Nein, das
durfte er nicht tun, auch wenn er ein übermächtiges Glücksgefühl verspürte, das
ihm beinahe die Sinne raubte. Wasser auf seinem eigenen Land, das war fast so,
als hätte er Gold gefunden!
Sina hatte Will fest an sich gepresst und küsste
ihn immer wieder aufs Haar. Nun stand sie langsam auf und ging, den Jungen fest
an der Hand, auf den schmalen Spalt zu und beugte sich darüber. Als sie ihr
eigenes Spiegelbild im Wasser erblickte, begann sie zu lachen.
»Tatsächlich, wir haben eigenes Wasser!« Dann
runzelte sie nachdenklich die Stirn. »Aber wo flieÃt es hin?« Sie deutete auf
den kleinen Tümpel und dann zum Himmel, als könne dieser eine Antwort für sie
haben. »Haben die Götter es gestohlen?«
»Es gibt keine Götter«, sagte Ben, ohne
nachzudenken, wie er es immer tat, wenn Sina behauptete, die Götter wären
verärgert und würden den Boden austrocknen, weil Ben ihnen keine Opfergaben
bringen wollte. »Es versickert irgendwo hier im Erdreich.« Er hob einen
Gesteinsbrocken auf und wog ihn nachdenklich in der Hand. »Niemand hat es
gestohlen, es flieÃt in â¦Â« Er hielt einen Augenblick nachdenklich inne, dann
kniete er sich auf den Boden. Mit fliegenden Händen begann er, weitere Steine
beiseitezuräumen. Dass seine Hände dabei aufrissen, kümmerte ihn nicht. Ihm war,
als befände er sich in einem Rausch. Wasser! Wasser auf seinem eigenen Land! Er
musste sofort herausfinden, was damit geschah!
Kurz blickte er Sina an, die ihm aus groÃen Augen
zusah. Sie stützte eine Hand in den Rücken und hielt mit der anderen weiter die
ihres Sohnes in festem Griff.
Ben arbeitete wie besessen. Und endlich, endlich
konnte er es sehen: Unter dem Steinhügel verlief das Rinnsal in Richtung Norden.
Die kleine Anhöhe war offenbar eine Wasserscheide, und irgendwer hatte
verhindern wollen, dass der Bach über Bens Besitz lief. Deshalb hatte derjenige
einen Graben angelegt, diesen mit Holz verkleidet und den Bachlauf so von Bens
Besitz weggeleitet.
»Kein Wunder, dass hier nichts wächst«, murmelte
Ben und fluchte dann laut. »Das ist Diebstahl! Irgendwer nimmt sich mein Wasser!
Aber das werde ich ab sofort zu verhindern wissen. Die Quelle befindet sich auf
meinem Grund und Boden!« Er wandte sich um. »Sina, hol Werkzeug. Und Bretter. So
viele, wie du nur tragen kannst!«
»Ja aber â¦Â«
»Tu, was ich dir sage!« Vor Erregung hatten Bens
Wangen sich gerötet. Keuchend machte er sich daran, weitere Steine zur Seite zu
schleudern, um an die Quelle zu gelangen.
Weit über eine Stunde arbeitete er unter
gleiÃender Sonne, bis er die ersten Befestigungen für den Wasserlauf anbringen
konnte. Sina hatte ihm geholfen, so gut sie es eben vermochte, und sogar Will
hatte kleine Steine fortgetragen.
»Ihr gebt dem Wasser ein Korsett«, meinte sie.
Seit Sina unter Evas Kleidern ein einfaches Korsett aus Fischbein entdeckt
hatte, war sie fasziniert von diesem Kleidungsstück und hatte sich den Begriff
eingeprägt.
»So kann man es ausdrücken.« Ben lachte und
blinzelte in der Sonne zu ihr empor. »Und ich werde diese Rinne noch erweitern.
Wenn es gelingt, kann ich ein Bewässerungssystem anlegen. Aber dazu brauche ich
Zeit â und noch sehr viel Holz.«
***
Â
Drei Tage schuftete Ben von den frühen
Morgenstunden bis zum späten Abend, wenn die Sonne unterging und die Nacht sich
wie ein warmes dunkles Tuch über das weite Land legte. Er
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