Im Herzen der Feuersonne
Leuten aus der Stadt hatte er
erfahren, dass sich weiter im Osten, etwa vier Tagesritte entfernt, eine groÃe
Wüste befand. »Gebt acht«, hatte einer der Händler gesagt, »wer sich dorthin
verirrt, ist verloren. Es gibt etliche Farmer, die ein ausgerissenes Tier da
gesucht haben und nie wieder heimgekehrt sind.«
Nein, so weit wollte er sich nicht vorwagen, ein
Umkreis von einem halben Tagesritt sollte vorerst genügen.
Ben gab Amy leicht die Sporen, und die Stute
trabte wieder los. Etwa eine Stunde waren sie unterwegs, die Sonne stieg höher
und höher, und die Luft über dem staubigen Boden begann zu flimmern.
In einer Baumgruppe kreischten Paviane, ein
Raubvogel kreiste über einem schmalen Feld aus Heidekraut und Krüppelkiefern.
Dann, wie ein Pfeil, schoss er hinunter, um im nächsten Augenblick mit seiner
Beute â einer Feldmaus, vermutete Ben â wieder in die Luft zu steigen.
Nachdem er mehr als anderthalb Stunden geritten
war, kam Ben wieder ins Weinland. Die Rebhänge zogen sich über drei Hügelketten
dahin; es waren meist Muskatellertrauben, die hier reiften. Allerdings fiel dem
jungen Winzer gleich ins Auge, dass die Rebstöcke nicht in exakten Reihen
standen; Unkraut wucherte zwischen den Reben, rankte sich teilweise gar an den
Stöcken hoch und raubte den Pflanzen so die Kraft.
Kopfschüttelnd ritt Ben weiter. Was ist das für
ein Winzer, der gutes Land so verkommen lässt?, dachte er und sah sich um, ob er
irgendwelche Arbeiter entdeckte. Doch niemand war zu sehen â bis er weiter
hinunter ins Tal kam. Tief in die Talmulde schmiegte sich ein langgestrecktes
weiÃes Gebäude, das nur ein Stockwerk besaÃ, an einen Schieferfelsen, der den
nördlichen Teil begrenzte. Zum Süden und zum Westen hin zogen sich grüne Hügel
empor, im Osten erstreckte sich ein kleiner Eichenwald. In seinem Schatten waren
aus groben Balken zwei Hütten errichtet. Sie wirkten heruntergekommen, waren nur
oberflächlich verputzt, an einigen Stellen trat das innere Flechtwerk zutage,
und die Dächer waren schadhaft. Noch weiter gen Süden, kaum noch auszumachen,
standen einige Kraals, sicher die Behausungen der Sklaven, sagte sich Ben. Oder
vielleicht wurde dort das Vieh gehalten.
Dicht neben den Hütten lagen ein zersplitterter
Ochsenziemer, morsche Bretter und ein paar auseinandergebrochene Fässer.
Als Ben näher ritt, traten aus einem der
schäbigen Häuser vier Schwarze. Sie schleppten Weidenkörbe zum Haupthaus
hinüber. Ein junges Ding, nur mit einem knöchellangen grauen Kittel bekleidet,
rannte schreiend über den Hof, hinter ihr her hetzte ein junger WeiÃer, der die
Hosenträger heruntergelassen hatte und der wütende Flüche ausstieÃ, wobei er mit
der rechten Hand die Hose festzuhalten versuchte.
»Miststück, verfluchtes! Dir werd ich beibringen,
wie man sich seinem Herrn gegenüber zu benehmen hat. Die Peitsche wirst du
spüren!«
»Schweig, Johannes! Und scher dich ins Haus!« Mit
einem Mal stand ein groÃgewachsener, knorriger Mann in der rostrot gestrichenen
Eingangstür des Hauptgebäudes. In seiner Rechten hielt er eine Flinte, legte sie
langsam an und richtete sie auf Ben.
»Das blöde Ding hat mich gebissen!«
»Recht so! Wer sich nicht durchsetzen kann, dem
tanzen die Sklaven auf der Nase rum. Los, ins Haus!« Eine unmissverständliche
Bewegung mit der Flinte unterstrich die Worte, dann wurde der SchieÃprügel
wieder auf den Fremden gerichtet.
Ben zögerte, ob er näher reiten sollte. Auf
diesem Gut herrschte, das spürte er bis in die letzte Pore hinein, ein unguter
Geist. Und auf sein Gefühl konnte er sich verlassen! Während seiner Wanderschaft
und auch auf See hatte sein Instinkt ihn oft davor bewahrt, Ungemach zu
erleiden.
»Hey, Ihr da ⦠was wollt Ihr auf meinem Land?«
Der Mann, dessen braunes Haar ihm in langen Strähnen bis auf die Schultern hing,
trat ein paar Schritte näher. »Runter vom Pferd«, befahl er.
Ben hielt es für ratsam, der Aufforderung Folge
zu leisten. Er tastete kurz an seinen Gürtel, wo ein scharfes Messer in der
Scheide hing. Nicht gerade die ideale Waffe, um sich gegen einen Mann zu
verteidigen, der ein Gewehr besaÃ, doch es vermittelte ihm zumindest das Gefühl,
nicht ganz schutzlos zu sein.
Langsam stieg er aus dem Sattel. »Ich bin
gekommen, um mich mit Euch bekannt zu
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