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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Maritz.«
    Vor Überraschung blickte sie nun doch auf. »Sie kennen meinen Namen?«
    Er lächelte und zeigte dabei zwei Reihen weißer Zähne – offenbar schien er sich nichts aus dem Betelkauen zu machen. »Conrad hat mir von Ihnen erzählt. Und mir Ihr Bild gezeigt.«
    »Mein Bild?« Für einen Moment war sie wie vor den Kopf gestoßen, dann begriff sie. »Sie … Sie haben mit Conrad zusammengearbeitet!«, entfuhr es ihr. »Ich meine natürlich … mit Bruder Felby.«
    Jetzt fiel ihr wieder ein, dass Conrad in einem seiner Briefe einen jungen Dolmetscher erwähnt hatte, der ihm bei den Übersetzungen in die Jabim-Sprache half. Erneut blickte sie auf. Sie hatte sich nicht getäuscht: Er hatte tatsächlich blaue Augen. Ein dunkles, ins Indigo gehende Blau. Zusammen mit seiner helleren Hautfarbe, seinen eher europäischen als papuanischen Gesichtszügen und dem fließenden Deutsch legte das alles nur einen Schluss nahe: Er war ein Mischling, ein sogenannter Halbweißer, Nachkomme eines weißen Vaters und einer einheimischen Mutter. In den Kolonien kam es immer wieder vor, dass europäische Männer eingeborene Frauen ehelichten.
    »Ihr Vater ist Deutscher?«, fragte sie, bevor sie sich zurückhalten konnte.
    »Möglicherweise«, erwiderte er zu ihrer Überraschung. »Zumindest spricht einiges dafür. Ich kenne meine Eltern nicht.«
    »Das tut mir leid.«
    »Wieso? Sie können doch nichts dafür. Ich bin ein Findelkind, hier in Simbang aufgewachsen. Paul – ich meine, Pater Lorenz – hat mich aufgezogen.«
    Ein durchdringendes Geschrei unterbrach ihn. Er drehte sich um und deutete auf eine Palme schräg hinter Isabel, wo der weiße Kakadu auf einem Wedel saß. »Sehen Sie, wer da sein Frühstück haben will? Das kleine Biest ist ganz wild nach Pandanusfrüchten. Koki, sei nicht so ungeduldig!«
    Aus der Frucht, die Isabel ihm reichte, brach er ein paar kleine, feste Samenkapseln ab und streckte zwei davon Isabel entgegen.
    »Nehmen Sie. Wenn Sie sie ihm hinhalten, wird er Ihnen aus der Hand fressen.«
    »Lieber nicht«, gab sie kopfschüttelnd zurück und wackelte mit ihrem bandagierten Zeigefinger. »Er hat mich gestern schon gebissen.«
    Noah hob die Schultern und stieß dann unvermittelt einen kurzen, scharfen Pfiff aus. Lautes Gekrächze und »Isa, Isa«-Rufe ertönten, dann kam der Kakadu mit langsamen Flügelschlägen herangeschwebt. Noah verzog kurz das Gesicht, als der Vogel auf seiner nackten Schulter landete und ihm dabei die Krallen in die Haut bohrte, hielt aber still, als das Tier begann, den Kopf mit der Federhaube an seiner Wange zu reiben. Leise sprach er mit ihm, in einer tiefen, rollenden Sprache, die Isabel nicht verstand, und hielt dem Tier eine der grüngelben, pfenniggroßen Samenkapseln hin. Koki beäugte sie mit seitlich geneigtem Kopf, öffnete den gekrümmten Schnabel und nahm den Leckerbissen geradezu vorsichtig aus Noahs Fingern. Dann flog er davon, um sich gleich darauf in seiner Palme niederzulassen, wo er seine Beute mit einem Fuß festhielt und geschickt mit dem Schnabel zu bearbeiten begann.
    Isabel lächelte – und legte hastig die Hand auf ihren Bauch, als ihr Magen ein ungebührliches Knurren hören ließ.
    Auch Noah hatte es offenbar gehört. »Sie haben sicher noch nicht gefrühstückt«, sagte er. »Möchten Sie vielleicht mitkommen und mit mir und den Kostschülern essen?«
    »Oh, nein. Nein, danke. Das ist sehr nett von Ihnen, aber … ich muss mich unbedingt frisch machen und …« Sie verstummte. Sie empfand es als unpassend, einem Mann zu erzählen, dass sie sich neu ankleiden musste.
    »Das brauchen Sie nicht«, widersprach er. »Sie sehen auch so schon reizend aus.«
    Erneut stieg ihr die Hitze ins Gesicht. Dass er sich nach dem peinlichen Missverständnis von vorhin jetzt erneut über sie lustig machte, war entschieden zu viel. »Nein, wirklich nicht«, gab sie eisig zurück. »Auf Wiedersehen.«
    Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte sie sich um und schlug eilig den Weg zu Conrads Hütte ein, wohl wissend, dass er sie dabei beobachtete. Die Aufregung verkrampfte die Muskeln ihres schwachen rechten Beins und ließ sie in ein leichtes Hinken fallen, sosehr sie sich auch bemühte, es zu verhindern.
    Sie war so damit beschäftigt, ihren Gang nicht gar zu ungeschickt aussehen zu lassen, dass sie fast schon Conrads Hütte erreicht hatte, bis ihr etwas auffiel. Ihre Schritte wurden langsamer.
    Was hatte Noah da gerade erzählt – er sei ein Findelkind und

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