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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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So wie Yerema.
    Kurz vor der Lichtung blieb sie schwer atmend stehen. Ein wohliges Gefühl durchpulste sie, ein drängendes Sehnen, stärker noch als das, was sie gespürt hatte, als Noah ihren verletzten Fuß massiert hatte. Sie schüttelte den Kopf. Nein, sie wollte jetzt nicht an Noah denken – nicht in Verbindung mit dem, was sie gerade gesehen hatte!
    Sie atmete mehrmals tief durch, bis sie sich wieder im Griff hatte, dann kehrte sie leicht hinkend, aber mit durchgedrücktem Rücken zu Conrads Hütte zurück.
     

6.
    Isabel erwachte schlagartig. Ein Ruckeln und Wackeln ging durch die ganze Hütte, ein leises metallisches Scheppern erfüllte den Raum, die Strohmatten raschelten. Sie kämpfte sich unter dem Moskitonetz hervor, setzte sich auf die Bettkante und wartete.
    Das Scheppern kam von der wassergefüllten Kanne in der Waschschüssel, die wackelte, als besäße sie ein Eigenleben. Der ganze Boden des Pfahlhauses bebte, wie ein Tier, das aus einem langen Schlaf erwachte und sich nun streckte. Ein Buch fiel vom Tisch. Ein großes, heuschreckenähnliches Insekt kroch eilig über die Matten, die den Fußboden bedeckten, und verschwand in einer Ecke.
    Als Isabel das erste Mal auf diese Weise geweckt worden war, war sie noch panisch aufgesprungen und hatte im Nachthemd und mit zitternden Beinen die Leiter hinabsteigen wollen. Aber kaum hatte sie einen Fuß auf die oberste Leitersprosse gesetzt, hatte das Beben wieder aufgehört.
    »Das kommt hier öfter vor«, hatte Bruder Lorenz sie später beruhigt. »Aber bis auf einen zerbrochenen Teller oder etwas verschüttetes Wasser ist noch nie etwas passiert.«
    Auch jetzt ließ das Gerüttel schnell wieder nach.
    Die häufigen Erdbeben waren der Grund, weshalb sämtliche Hütten und Häuser in diesem Gebiet lediglich einstöckig gebaut waren. Inzwischen hatte sich auch Isabel daran gewöhnt. Kaum war das Beben vorüber, erhob sie sich und machte sich an ihre Morgentoilette. Sie wusch sich in einem Eimer mit Regenwasser, in dem zu ihrem Verdruss etliche Moskitolarven schwammen, und begann, sich anzukleiden. Als sie ihr Ersatzkorsett bereitlegte, das Bruder Lorenz ihr gestern zusammen mit dem Rest ihres Gepäcks aus Finschhafen mitgebracht hatte, zögerte sie. Die Vorstellung, sich von den steifen Fischbeinstäben erneut Taille und Brustkorb zusammenpressen zu lassen, erfüllte sie plötzlich mit Widerwillen. Schon jetzt rann ihr der Schweiß, klebte das Hemd feucht an ihrem Rücken – wie würde das erst mit diesem Ding sein? Nein, entschied sie nach kurzem Überlegen, heute würde sie das Korsett noch nicht anlegen. Vielleicht morgen, wenn sie sich wieder an den Gedanken gewöhnt hatte.
    Schon erscholl der dumpfe Klang des Muschelhorns, der zur Morgenandacht rief. Sie schlüpfte in eine frische weiße Bluse und ihren bodenlangen dunkelblauen Rock und drehte ihre Haare zu einem einfachen Nackenknoten, dann stieg sie die Leiter hinunter und begab sich zur kleinen Missionskirche.
    *
    Die Seifenblasen tanzten durch die Luft. Mit offenen Mündern sahen die Mädchen dem Zauber nach, den Isabel mit Hilfe eines dünnen Bambusstrohhalms und etwas Seifenlauge vollführte, bestaunten die hauchzarten, in allen Farben des Regenbogens schillernden Gebilde, die über ihnen in den wolkenlosen Himmel davonschwebten oder am Stamm einer großen Kokospalme zerplatzten. Dann gab es kein Halten mehr; jede wollte selbst einmal ausprobieren, solche schimmernden Wunder zu erzeugen.
    Es waren fünf Jabim-Mädchen im Alter von vielleicht vier bis zehn Jahren, die sich im Freien um Isabel versammelt hatten. Mit den Seifenblasen war es ihr gelungen, sie anzulocken, während Bruder Lorenz die Knaben im Schulhaus unterrichtete. Solange die Gäste, die sich für den heutigen Samstag angekündigt hatten, noch nicht da waren, nutzte sie die Gelegenheit, den Mädchen näherzukommen. Das Eis war gebrochen, jetzt musste es ihr noch gelingen, die Kinder bei der Stange zu halten. Auf Tok Pisin und mit Einsatz von Mimik und Gestik fragte sie ein Mädchen nach seinem Namen, und als das Kind ihn schüchtern nannte, schrieb sie ihn mit Kreide auf die mitgebrachte Schiefertafel.
    »Kakiri«, wiederholte sie und hielt die Tafel hoch. Die Mädchen lächelten schüchtern, aber die Vorstellung, den eigenen Namen in diesen für sie noch unverständlichen Zeichen aufgeschrieben zu sehen, faszinierte sie sichtlich. Bald rückte auch die Nächste mit ihrem Namen heraus und sah aufmerksam zu, was Isabel auf die Tafel

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