Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
bringen, die er sonst mit seinen Mitbrüdern bewohnte. Da man Bertholds Schwester natürlich nicht zusammen mit den Männern beherbergen konnte, hatte er für diese Nacht eine neue Aufteilung vorgenommen: Im Gästehaus, das nur für höchstens fünf Besucher vorgesehen war, würden Berthold, Dr. Weinland und Noah zusammen mit den Brüdern Lorenz und Schwarz schlafen, und die beiden Pflanzer sollten in Noahs Hütte unterkommen.
Berthold ließ sich nicht davon abhalten, Isabel bis zu Conrads Hütte zu begleiten. Sie hatte sich bei ihm eingehakt, um in der Dunkelheit nicht zu straucheln, obwohl ihr die feuchte Wärme, die sein Körper ausdünstete, unangenehm war.
»Lassen Sie mich nicht zu lange warten, Liebste«, sagte er zum Abschied.
*
Isabel lag schweißgebadet unter dem Moskitonetz. Obwohl sie die Decke zurückgeschlagen hatte und ihr leichtestes Nachthemd trug, konnte sie nicht schlafen. Ein schwacher Hauch von Zigarrenrauch wehte zu ihr hinüber, entfernt vernahm sie Lachen und die Stimmen von Berthold, Dr. Weinland und den beiden Pflanzern. Die Brüder Schwarz und Lorenz waren offenbar ebenfalls schon zu Bett gegangen.
Zumindest musste sie Conrads Hütte nicht mit Henriette teilen. Nicht, dass es ihr viel ausgemacht hätte – immerhin hatte Bertholds Schwester sie auch bei sich aufgenommen –, aber Isabel hätte nicht gewusst, wo Henriette hätte schlafen sollen, schließlich gab es hier nur ein Bett, und mit einer Hängematte würde Henriette sich sicher nicht begnügen.
Henriette, die möglicherweise bald ihre zukünftige Schwägerin war. Isabel hatte es noch immer nicht richtig begriffen: Berthold von Faber hatte ihr einen Antrag gemacht! Ihr, Isabel Maritz aus Zirndorf, für die sich wegen ihres schwachen Beins nie ein Mann interessiert hatte! Sie kam sich fast vor wie die Prinzessin in einem Märchen; noch vor kurzem hatte sie geglaubt, nie einen Ehemann zu finden, und nun bekam sie innerhalb eines Jahres schon den zweiten Heiratsantrag.
Was sollte sie nur tun? Sie mochte Berthold wirklich. Aber reichte das, um darauf eine Ehe zu gründen? Sie wusste doch fast nichts über ihn, kannte seine Vorlieben und Abneigungen und so vieles mehr nicht. Andererseits: War sie es nicht gewesen, die gut vierzehntausend Kilometer gereist war, um einen ihr fast fremden Mann zu heiraten?
»Ach, Conrad«, seufzte sie leise in die Dunkelheit.
Wie ihr Leben als Berthold von Fabers Ehefrau wohl aussehen würde? Sie würde natürlich von Simbang weggehen und in sein Haus nach Finschhafen ziehen müssen. Und – ein weiterer Gedanke stieg in ihr auf – wie es wohl wäre, mit ihm das Bett zu teilen? Mit ihm das zu tun, was sie bei Yerema und Kamelun gesehen hatte? Sie schluckte. Sosehr sie Berthold auch schätzte – die Vorstellung, unter diesem massigen, schwitzenden Leib zu liegen, ließ jähen Widerwillen in ihr aufsteigen. Und ohne dass sie es verhindern konnte, schob sich ein anderes Bild vor ihr geistiges Auge. Ein wohlgeformter Oberkörper von heller Bronze, in viele feine Strähnen gedrehte schwarze Haare, dunkelblaue Augen …
Die Hitze, die sie auf einmal durchflutete, hatte nichts mehr mit der schwülwarmen Tropennacht zu tun. Die verbotene Stelle zwischen ihren Beinen pochte plötzlich heftig. Fest presste sie ihre Hand darauf, dann zog sie sie so hastig zurück, als hätte sie sich verbrannt. Was um alles in der Welt war bloß los mit ihr? Ihr Verlobter war erst vor wenigen Wochen gestorben, ein netter Mann machte ihr einen Heiratsantrag, und sie träumte von einem halbweißen Tollkopf, der sich nicht zu benehmen wusste!
*
Noch vor Tagesanbruch erwachte sie aus einem unruhigen Schlaf. Durch das geöffnete Fenster stahlen sich ein paar zwitschernde und krächzende Tierstimmen und eine schwache Helligkeit. Isabel tauchte unter dem Moskitonetz hervor, benutzte den Nachttopf, der inzwischen seinen Weg in die Hütte gefunden hatte, und zog sich rasch an. Die Gelegenheit, den prächtigen, aber kurzen tropischen Sonnenaufgang zu betrachten, wollte sie sich nicht entgehen lassen.
Vor dem ersten zarten Schimmer der Morgendämmerung zeichneten sich dunkel die Umrisse der Hütten und Bäume ab. Auf bloßen Füßen tappte Isabel zum Wasser. Das Meer lag friedlich da, leise rollten die Wellen an den Strand und zogen sich flüsternd wieder zurück. Tief sog Isabel die frische, salzige Luft ein. Dann begann der Himmel zu leuchten, erglühte in satter, feuriger Farbenpracht, brachte kräftiges Grün in Palmen und
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