Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
reichte es Dr. Weinland, der ihm schräg gegenübersaß. »Ich sage Ihnen, das ist noch besser als der Tabak aus Mexiko oder Havanna. Ideal für Zigarrendeckblätter.«
Dr. Weinland sah sich das Blatt mit sichtlichem Interesse an. »Pflanzen Sie nur Tabak?«
»Nein, aber hauptsächlich. Sonst noch ein bisschen Mais, Yams, Taro und Süßkartoffeln – wir und die Arbeiter müssen schließlich auch etwas essen. Apropos essen: Mein Kompliment für das köstliche Mahl, Fräulein Maritz.«
»Danke, Baron. Aber ich hatte lediglich ein Auge darauf. Zubereitet haben es die Hausboys.«
Sie saßen unter freiem Himmel. Ein paar in den Sand gesteckte Bambusfackeln spendeten Licht und hielten die Moskitos fern, im Hintergrund rauschten leise die Wellen. Man hatte zwei kleinere Tische zu einem langen zusammengeschoben. An den Kopfenden saßen die Missionsbrüder Lorenz und Schwarz, an Isabels rechter Seite Berthold und die beiden Pflanzer, während Noah ihr gegenüber Platz genommen hatte, neben ihm Dr. Weinland und Henriette.
Das Abendessen aus gegrilltem Fisch, Süßkartoffeln und Gemüse war in der Tat köstlich gewesen; auch Isabel hatte mehr als einmal zugegriffen. Noah hingegen, der erst kurz vor der Abenddämmerung eingetroffen war, hatte nur wenig genommen. Er hatte seinen Sonntagsstaat aus Hemd, Hose und dem blauem Tuch angelegt und stach trotz dieser größtenteils westlichen Aufmachung unter der europäischen Tischgesellschaft hervor wie ein bunter Hahn unter lauter weißen Hennen.
»Noch etwas Wein, liebe Isabel?« Berthold beugte sich näher zu ihr, um ihr nachzugießen, und warf ihr einen weiteren innigen Blick zu. Die beiden Plantagenbesitzer hatten als Gastgeschenk einige Flaschen Wein, Rum und Cognac für die Missionsstation mitgebracht.
»Danke, ja.« Sie lächelte ihm zerstreut zu. Den ganzen Abend schon bemühte Berthold sich auf diese Weise um sie. Es machte sie richtiggehend verlegen. Ihr Blick schweifte über die Tafelrunde. Henriette sprach angeregt mit dem Baron, Bruder Schwarz mit Herrn Konings, und Bruder Lorenz hörte Dr. Weinlands Ausführungen über die heimische Botanik zu. Nur Noah hatte bis jetzt kaum etwas gesagt. Obwohl er lediglich eine Armlänge entfernt saß, kam er ihr seltsam fremd vor, aber das lag vielleicht bloß an dem ungewohnten Feuerschein auf seinem Gesicht. Nein, es war noch mehr. Er starrte düster auf seinen Teller und strahlte eine unterschwellige Gereiztheit aus. Hing es etwa damit zusammen, dass Bruder Lorenz ihn vorhin wegen seines Zuspätkommens gescholten hatte? Aber Noah hatte nicht den Eindruck gemacht, als würde ihn diese Rüge sonderlich kümmern. Oder weil man von ihm erwartete, mit den Plantagenbesitzern zusammenzuarbeiten? Isabel war versucht, ihr Bein unter dem Tisch langzumachen und ihn unauffällig mit dem Fuß anzustoßen, um ihm wenigstens ein kleines Lächeln zu entlocken. Aber so konnte sie sich natürlich unmöglich benehmen.
Als Baron de Wolff aufstand und einen Trinkspruch auf den Kaiser ausbrachte, verstummten die Gespräche, und man trank auf das Wohl Wilhelms II.
»Sagen Sie, Baron«, meldete sich Noah zu Wort, »warum wollen Sie unbedingt die Jabim anwerben, statt auf importierte Arbeiter zurückzugreifen? Stehen Ihnen nicht genug chinesische und javanesische Kulis zur Verfügung?«
Nicht nur Isabel sah überrascht auf. Es war das erste Mal an diesem Abend, dass von ihm mehr kam als bloß ein paar einsilbige Bemerkungen.
Auch Herr Konings war erstaunt. »Sie sprechen eine fantastische Deutsch«, sagte er. »Viel, viel besser als ich. Sie sind keine von die Jabim?«
»Nein«, erwiderte Noah knapp. »Bekomme ich eine Antwort?«
Bruder Lorenz sah ihn mit einem verständnislosen, tadelnden Kopfschütteln an. Herr Konings wirkte ein wenig verstört und suchte nach Worten.
»Die Frage ist durchaus berechtigt«, griff Baron de Wolff beschwichtigend ein. »Lassen Sie es mich so sagen: Die aus Java und China importierten Männer sind einfach zu wenige und auf Dauer auch ausgesprochen unrentabel. Viele von ihnen können wegen ihrer Opiumsucht kaum arbeiten oder werden schnell krank. Da ist es viel günstiger, auf hiesige Kräfte zurückzugreifen.«
»Die Sie hier zu finden hoffen.« Bruder Lorenz hatte zu seiner üblichen Gelassenheit zurückgefunden. »Meine Herren, darf ich fragen, was die Jabim auf Ihrer Plantage erwartet?«
Der Baron räusperte sich. Isabel konnte den Mann, der zu ihrer Rechten neben Berthold und Herrn Konings saß, nur von
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