Im Herzen der Wildnis - Roman
Kleidung. Dafür entdeckte sie ein Fläschchen Heroin.
Alistair McKenzie hatte ihm genug Opium mitgegeben, um die Entzugserscheinungen zu lindern. Er hatte darauf vertraut, dass sie ihren Bruder unter Kontrolle hatte. Skip hatte ihr das Opium auch gegeben, bevor sie in See stachen, damit sie ihm seine täglichen Dosen zuteilen konnte. Aber er hatte sie betrogen. Er hatte Heroin an Bord geschmuggelt.
Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, und sie rang mit den Tränen der Enttäuschung, der Verzweiflung und der Wut. O Gott, Skip! Was tust du?
Sie steckte das Fläschchen ein, packte ihren Bruder grob bei den Schultern und richtete ihn mit einem Ruck auf. Haltlos schwang sein Kopf hin und her. Sie hob sein Kinn an und sah ihm ins Gesicht. »Skip?«, knirschte sie wütend.
Seine Lider flatterten. Shannon holte aus und verpasste ihm einen Schlag, dass sein Kopf rückwärts gegen die Bordwand krachte. Er stöhnte leise. Und sie schlug noch einmal zu. Skip rutschte an der Holzvertäfelung ab, kippte aufs Bett und krümmte sich mit angezogenen Beinen wimmernd zusammen. Aber Shannon packte ihn und wuchtete ihn erneut hoch. »Skip! Ich muss das Boot wenden! Ich brauche dich am Segel!« Ihre Stimme überschlug sich vor Panik. Sie war schon viel zu lange unter Deck. Eine Bö, ein Brecher, und das Boot würde kentern. »Skip! Du kommst jetzt mit mir nach oben! Hast du mich verstanden? Skip! Na los, steh auf!«
Sie legte sich seinen Arm über die Schulter und zerrte ihn hoch. Als er gegen sie prallte, riss er sie fast um. Schritt für Schritt kämpfte sie sich bis zur Treppe vor und schleppte ihn hinter sich her. »Skip! Hilf mir ein bisschen, ich kann dich bei diesem Seegang nicht an Deck tragen! Na los, beweg dich!«
Skip die Treppe hinaufzubugsieren war harte Arbeit. Shannon keuchte vor Anstrengung. Aber schließlich hatte sie ihn dort, wo sie ihn haben wollte: am Segel. Sie sicherte ihn mit einer Leine, damit er nicht über Bord gespült wurde, und stolperte zum Ruder zurück, um wieder die Gewalt über das Boot zu erlangen.
Als ein Brecher donnernd über Bord schlug und die Gischt aufspritzte, taumelte Skip und musste sich festhalten, um nicht auf das schiefe Deck zu stürzen. Sie beobachtete ihn beunruhigt. Seine Bewegungen waren schleppend, seine Hände zitterten heftig, aber er schaffte es, das Segel neu auszurichten. Dann sackte er am Mast in sich zusammen und blieb im strömenden Regen liegen, während immer wieder Brecher über ihn hinwegbrandeten, die ihn von Bord zu reißen drohten.
Das Boot wurde von den Wogen nach oben geschleudert, bevor es beim Hinabstürzen in die nächste Welle gefährlich krängte. Der Rumpf bebte beim Anprall der Wassermassen. Der Sturm riss die Gischt von den Wellen und peitschte sie Shannon hart ins Gesicht.
Die zedernbewachsenen Inseln und die schneebedeckten Berge der Küste waren längst hinter dem wogenden Horizont verschwunden, und sie rasten hinaus in die Weiten des Golfs von Alaska. Nicht daran denken! Nur den Kurs halten!
Der Sturm dauerte bis zur Abenddämmerung. Nach fast vier Stunden kräftezehrenden Überlebenskampfes gegen die Naturgewalten ließen Wind und Dünung endlich nach, und die Lone Cypress richtete sich langsam wieder aus ihrer Schräglage auf. Shannon atmete tief durch, aber für sie würde es in den nächsten Stunden noch keine Ruhepause geben. Skip war noch zu berauscht, um das Kommando zu übernehmen. Abgekämpft hockte er hinter ihr auf der Ruderbank und verschnaufte.
Shannon hielt mit schmerzenden Armen das Ruder und blickte über die Schulter. »Geht’s wieder?«
Skip nickte beschämt. »Tut mir leid.«
Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und wandte sich wieder dem Ruder zu.
»Was willst du von mir hören?« Seine Stimme klang schwach und zittrig. »Ich weiß, dass ich das Boot in Gefahr gebracht habe. Und dass ich mein und dein Leben aufs Spiel gesetzt habe … und …« Er verstummte.
Shannon drehte sich zu ihm um. Sie zog das Heroinfläschchen hervor und zeigte es ihm. Dann schleuderte sie es in hohem Bogen über Bord. »Skip? Du gehst jetzt unter Deck und bringst mir alles Opium, Laudanum oder Heroin, das du an Bord gebracht hast. Und die Flasche Bourbon unter deiner Koje. Hast du mich verstanden?«
»Shannon …«
»Hast du mich verstanden?«, schrie sie ihn erbost an.
Er kämpfte mit den Tränen. Doch schließlich nickte er.
»Du wirst es selbst über Bord werfen! Ich werde das nicht für dich tun! Hast du das kapiert? Du
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