Im Herzen der Wildnis - Roman
Rucksack gepackt und war von New York aus quer durch die USA getrampt. Jake war auf Güterwagen mitgefahren, hatte neben den Schienen seinen Schlafsack ausgerollt und war nach Montana gefahren, wo er seine Familie besucht hatte. Sein jüngerer Bruder hatte ihn begleitet, als er nach Arizona gefahren war. Jake hatte den Grand Canyon sehen wollen. Beeindruckt von der Großartigkeit der Landschaft waren die beiden Brüder hinuntergestiegen und waren mit einem selbst gebauten Kanu durch den Canyon gefahren. In den Stromschnellen war sein jüngerer Bruder über Bord gefallen, war mit dem Kopf gegen einen Felsen geprallt und in den tosenden Fluten ertrunken.
Josh war berührt von den leisen Worten, mit denen Jake den Tod seines Bruders schilderte. Sie beschworen die schrecklichen Erinnerungen an Ians Sturz in die Gletscherspalte in ihm herauf. Mit brennenden Augen lauschte er Jakes Schilderung, wie er die Leiche seines Bruders im Colorado suchte, aber nicht fand. Auch er hatte einen geliebten Menschen verloren, für den er die Verantwortung trug, auch er hatte kein Grab, an dem er trauern und Abschied nehmen konnte, an dem er zu sich selbst zurückfinden konnte.
Wie Josh war Jake auf seinem Weg immer weitergegangen. Er war den Colorado bis zum Golf von Kalifornien hinuntergefahren. Dort hatte er sein Kanu am Strand zurückgelassen und war zu Fuß durch die Sanddünen und durch die Berge nach San Diego gewandert. Dieser Weg durch die Wüste hatte Jake geholfen, die Trauer zu überwinden. Er hatte gelernt, sich selbst wieder zu vertrauen, dass er imstande war, die Verantwortung für einen anderen Menschen zu übernehmen. Er hatte jetzt gewusst, was er tun wollte – seiner Familie hatte er sich nicht stellen können, nicht ohne den Leichnam seines Bruders, den er ja nicht nach Hause bringen konnte. Über San Francisco war er nach Seattle getrampt. Und schließlich hatte er ein Schiff nach Alaska bestiegen.
»Suchst du in Alaska Gold?«, fragte Josh. »Oder Abenteuer?«
Jake lächelte mit einer gefühlvollen Gelassenheit, ja einer Heiterkeit, die Josh im Stillen bewunderte. Dabei war Jakes Bruder erst vor wenigen Monaten gestorben. »Ich habe ein bisschen am Klondike geschürft, nur so zum Vergnügen. Ich glaube, du kennst Jack London?« Als Josh nickte, sagte Jake: »Ich hatte den Claim zwei Meilen flussaufwärts. Im Gegensatz zu ihm habe ich Gold gefunden. Aber die Schürferei war mir zu langweilig. Den ganzen Tag hockst du mit nassen Stiefeln im eiskalten Wasser und schaufelst Sand in deine Waschpfanne. Abends tun dir alle Knochen weh, und deine entzündete Blase schmerzt beim Pinkeln, dass du mit den Zähnen knirschst. Du bist zum Umfallen müde und hast keine Lust, dir noch was zu kochen. Nachts versuchst du zu schlafen, obwohl es heller Tag ist, und du fragst dich: Was tu ich hier eigentlich? Die ganze Plackerei für ein bisschen Goldstaub!«
»Und wovon lebst du jetzt?«, fragte Josh und nahm sich noch eine Portion Datteln im Speckmantel, die Jake in der Pfanne gebraten hatte. Sie schmeckten köstlich. »Bist du Trapper?«
»Nicht nur. Ich jage, stelle Fallen und verkaufe die Pelze an die Handelsposten eurer beiden Unternehmen. Aber im Grunde mache ich denselben Job wie ihr, nur für mein eigenes kleines Unternehmen. Ich kaufe und verkaufe.«
»Was?«
»Die Lust am Abenteuer. Ausrüstungen für Goldgräber, Holz für Blockhütten, Grundstücke in Boomtowns, Claims an goldführenden Flüssen.«
»Hoffnungen auf den großen Fund und Träume vom großen Glück«, ergänzte Josh.
»Genau.«
»Wie viel verdienst du?«
»Genug zum Überleben.« Jake griente verschmitzt. »Mit französischem Champagner zu hundert Dollar die Flasche und kalifornischen Austern zu sechzehn Dollar die Dose. In Alaska zahlt man für ein stilvolles Abendessen mehr als in einem Restaurant auf der Fifth Avenue in New York.«
»Nur der Lachs ist billiger, der springt dir aus dem Fluss vor die Füße«, feixte Josh. »Nun sag schon!«
»Vier Millionen in zwei Jahren. Und dabei ist am Tanana noch nicht einmal Gold gefunden worden, wie dein Freund Ian vorausgesagt hat.«
Colin pfiff anerkennend durch die Zähne. »Was machst du mit dem Geld?«
»Noch mehr Geld.«
Colin lachte. »Und was willst du mit deinen Millionen anfangen?«
»Weiß ich noch nicht. Meinem Dad habe ich geholfen, Weideland zu kaufen und die Ranch in Montana zu vergrößern. Er züchtet Pferde. Meine fünf Brüder helfen ihm dabei.« Er seufzte und war plötzlich
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