Im Herzen der Wildnis - Roman
IR VON H ERZEN G LÜCK . S CHREIB MIR BITTE BALD , WIE ES GELAUFEN IST . U ND SCHICK MIR F OTOS VON D EINEM S OHN . D U FEHLST MIR SEHR . J AKE .
Er blickte über die Bay, beobachtete den Nebel, der vom Pazifik durch das Golden Gate hereinzog, und lauschte auf die Geräusche der Nacht.
Shannon. Was sie jetzt wohl gerade tat? Er trank einen Schluck aus der Flasche und erinnerte sich an die schönste Zeit seines Lebens, die er mit ihr verbracht hatte. Er hatte sie vom ersten Augenblick an geliebt. Seine Liebe war tiefer geworden, als sie immer wieder auseinandergerissen worden waren. Und in den Jahren, in denen sie getrennt gewesen waren, war diese Liebe zu einem schmerzhaften Sehnen geworden. Was würde geschehen, wenn er sie morgen anrief?
Josh stopfte Jakes Telegramm in die Tasche seiner Jeans und ging zurück zum Haus. In seinem Schlafzimmer packte er rasch eine Tasche, hinterließ auf Charltons Schreibtisch eine kurze Nachricht und zog die Haustür hinter sich zu.
Während seiner Abwesenheit hatte San Francisco sich verändert. Über den Dächern der viktorianischen Häuschen ragten immer mehr Hochhäuser auf, in deren strahlendem Lichterglanz der Sternenhimmel verblasste. Ein faszinierender Anblick! In der Lombard Street verbreiteten die Magnolien ihren betörenden Duft. Die leuchtend rote Bougainvillea hatte Ians Haus fast überwuchert. Josh trat ein, schloss die Tür und ging ins Wohnzimmer.
Überrascht blieb er stehen und stellte seine Tasche ab. Der Tisch war übersät mit Briefen. Mit zitternden Knien ließ er sich auf das Sofa sinken und betrachtete die Schneekugel, die zwischen den Briefen stand. Das Symbol ihrer Liebe! Im Glas tanzte ein verliebtes Paar durch den wirbelnden Glitzerstaub. Er zog die Spieluhr im Fuß der Schneekugel auf und stellte sie zurück zwischen die Briefe. Zu den zarten Klängen von Liszts Liebestraum tanzten Shania und Jay miteinander ins Glück. Die Kehle wurde ihm eng, und er musste schlucken, als sein Blick über die enorme Sammlung von Briefen, Karten und gekritzelten Zettelchen schweifte. Sie hatte ihm so viele Briefe geschrieben wie er ihr. Ihre Gedanken und Gefühle, ihre Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte, ihr ganzes Leben.
Gerührt sprang er auf und schenkte sich einen Whiskey ein. Dann nahm er die Schneekugel und die Briefe und stieg hinauf ins Schlafzimmer. Er zog sich aus, kroch ins Bett und nippte an seinem Whiskey. Dann begann er in ihr Leben einzutauchen. Er erlebte, was sie erlebt hatte, reiste mit ihr nach Europa, Afrika, Asien und Australien, sah Shannon in der türkisblauen Lagune von Tahiti schwimmen, hörte Ronan ausgelassen lachen und fühlte, wie Rob sich als sein Daddy empfand.
Was ist wahre Liebe? Während er die Briefe las, dachte er über diese Frage nach: Shannon könnte jetzt meine Frau sein, nicht seine. Ronan ist mein Sohn, nicht seiner. Ich will ihn liebhaben. Aber darf ich dieses Glück zerstören?
Josh las weiter. Die Erinnerungen an das verlorene Glück zauberten ein Lächeln auf sein Gesicht, und einen Moment lang fühlte er sich nicht mehr so einsam. Denn Shannon ließ ihn an ihrem Leben teilhaben. Aber er war allein. Er saß im Bett, trank seinen Whiskey, las ihre Briefe und war traurig. Und betroffen, als er ein Foto zwischen den Briefen fand: Shannon und Rob, Hand in Hand am Strand. Ihre Berührung drückte innige Verbundenheit aus, ihre Blicke Freundschaft und Liebe. Ronan, der im Sand spielte, wirkte fröhlich mit Mommy und Daddy.
Das ist wahre Liebe.
Josh wünschte sich, dass die beiden glücklich waren und den Kleinen liebhatten. Er wünschte es sich so sehr, als wäre er an Robs Stelle, als würde er seine Frau küssen und seinen Sohn umarmen. Aus der Tasche seiner Jeans zog er das zerknitterte Foto von Shannon und Ronan, das ihn durch die Eiswüste Alaskas begleitet hatte. Seine Frau und sein Sohn, das waren sie die ganze Zeit für ihn gewesen, während er zu ihnen zurückgekehrt war. Auch wenn Sissy ihm erst vor wenigen Stunden erzählt hatte, dass Ronan tatsächlich sein Kind war.
Josh trank einen Schluck Whiskey. In diesem Haus, in diesem Bett, in dieser kleinen glitzernden Schneekugelwelt waren sie glücklich gewesen. Er schob das Glas auf den Nachttisch, legte das Foto neben sich auf das Kissen und las weiter.
Der letzte Brief enthielt nur drei Worte: Ruf mich an!
Josh nahm den Telefonhörer ab. Schließlich kam die Verbindung zustande. »Shannon?«
»Josh!« Ihre Stimme klang atemlos.
»Ich bin wieder da«, sagte
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