Im Herzen der Wildnis - Roman
Tafelberges. Über die steilen Felsflanken fielen feine Nebelschleier zur wogenden Brandung des Atlantiks herab. Es war so heiß und feucht, dass die Berge am Kap mit dem Himmel und dem Ozean zu verschmelzen schienen. Die Landschaft wirkte wie ein Aquarell, das mit einem viel zu nassen Pinsel gemalt worden war.
Das Haus im kapholländischen Stil erinnerte an ein Weingut im nahen Stellenbosch. Wegen der Sommerhitze waren die Läden vor den Gartenfenstern geschlossen. Nur im Stuckgiebel unter dem Reetdach stand ein Sprossenfenster offen und sorgte für einen angenehmen Luftzug im Haus. Ein verführerischer Duft nach Strauß- und Springbocksteaks wehte Rob entgegen.
Auf der Terrasse mit Blick auf den Atlantik bereiteten die Hausangestellten die Dinnerparty für hundert Gäste vor. In einem offenen Zelt wurde das Buffet aufgebaut, während der Butler auf der blumengeschmückten Banketttafel das Geschirr, die Kristallgläser und das Silberbesteck ausrichtete.
Der Butler hatte ihn gesehen. Er winkte einem Diener, der ihm das Pferd abnehmen sollte, und kam ihm entgegen. Rob sprang aus dem Sattel. »Mr Mulberry?«
»Wie war das Polospiel, Mr Conroy?«
»Wir haben gekämpft. Aber wir haben gewonnen.«
Der Butler nahm ihm Helm und Polostick ab. »Nach dem Sieg ein kühles Bier, Sir?«
Rob zog die Handschuhe aus und reichte sie ihm. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn. »Einen ganzen Eimer voll, Mr Mulberry. Guinness, eiskalt.«
»Sofort, Sir.«
»Bevor ich mich für die Party umziehe, nehme ich ein Bad. Mit den Eiswürfeln aus den Champagnerkühlern im Wasser.«
Mr Mulberry lächelte. »Mr Burton erwartet Sie in Ihrem Arbeitszimmer, Sir. Er will noch vor dem Eintreffen der Gäste mit Ihnen sprechen. Ihr Vater hat ein Telegramm geschickt.«
»Bringen Sie mir das Guinness ins Arbeitszimmer.« Mit großen Schritten durchquerte Rob die Halle und betrat sein Arbeitszimmer, das im afrikanischen Stil gehalten war.
Vor dem großen Gartenfenster, dessen Läden bis auf einen schmalen Spalt geschlossen waren, stand der imposante Schreibtisch: Vier Elefantenstoßzähne trugen eine Platte aus hellem Stein. Evander Burton legte den Federhalter weg und sprang auf. Der hochgewachsene Neuseeländer aus Auckland, der so alt war wie Rob, hatte die Statur eines Rugby-Spielers. Und so wie er spielte, koordinierte er als Geschäftsführer auch die Unternehmensteile von Conroy Enterprises in aller Welt – schnell, hart und kämpferisch.
Evander Burton trug bereits White Tie. Den Seidenbinder hatte er noch nicht gebunden, und die Knöpfe seines Hemdes standen noch offen. Vor ihm stand ein Glas Champagner.
Rob nickte ihm zu. »Kia ora, Kiwi.«
»Hey, Rob.« Evander grinste über die Maori-Begrüßung und machte Anstalten, Rob seinen Platz zu überlassen, aber der winkte lässig ab, ließ sich auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch nieder und schlug seine langen Beine übereinander.
»Du wirkst abgekämpft«, meinte Evander. »Völlig erschöpft.«
»Du solltest mal die anderen sehen.« Mit beiden Händen fuhr er sich durch das schweißtropfende Haar. Sein Poloshirt war völlig durchnässt und klebte ihm am durchtrainierten Körper. »Ich sehne mich nach einem kalten Bad.«
Evander grinste. »So siehst du auch aus.«
»Also, was gibt’s?«
»Du meinst, außer den üblichen Katastrophen? Den Überschwemmungen auf unseren Teeplantagen in Indien? Dem drohenden Steppenbrand auf unserer Schaffarm in Australien? Dem Einsturz einer Diamantenmine in Südafrika? Dem Sinken eines unserer Schiffe südlich von Hongkong?«
Evander lachte, als Rob die Augen verdrehte, und fuhr fort: »Heute kam ein Brief von Nathan Mayer Baron Rothschild aus London. Natty schreibt, dass er in Südafrika De Beers finanziert, die das Monopol auf Diamantenminen anstreben, nicht aber die Conroy Diamond Mining and Trading Company, die unter der Hand und im großen Stil Aktienanteile von De Beers aufkauft, um eine feindliche Übernahme vorzubereiten.«
» Das hat Natty geschrieben?«, fragte Rob nach.
»Das waren seine Worte.«
»Woher weiß Natty, wie viele Aktien wir kaufen?« Er schüttelte den Kopf. »Was noch?«
»Baron Rothschild kann aus den eben zitierten Gründen nicht unser Bankier sein, wenn wir nächstes Jahr unser Büro in London öffnen. Daher sieht er sich auch außerstande, Tom zu seiner Audienz bei der Queen zu begleiten.«
»Oh nein!«
»Oh doch! Cecil Rhodes will die Diamantenproduktion monopolisieren und den
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