Im Herzen der Zorn (German Edition)
»Trainieren?«
»Ich meine, ich weiß, jetzt ist keine Footballsaison, aber trainiert ihr nicht auch außerhalb der Saison?« Mist. Sie klang wie ein totaler Depp.
»Oh. Ähm, ein bisschen. Wir treffen uns einmal die Woche in der Halle, samstagmorgens«, erwiderte Pierce und wandte sich zum Gehen. »Bin gleich wieder da – Pinkelpause.«
Super. Ihre glänzenden Fähigkeiten, Konversation zu treiben, hatten es wieder mal geschafft. Sie überlegte, ob sie beim Pokern mitmachen sollte, wenn er zurückkam. Aber der Tisch mit den vielen Jungen wirkte irgendwie einschüchternd. Und sie hatte keine Ahnung, wie man überhaupt Poker spielte.
Als Skylar sich umdrehte, um eine Rührschüssel aus dem Schrank zu nehmen, erblickte sie sich selbst in dem kleinen Spiegel, der neben der Küchentür hing. Sie hielt erschrocken inne. Sie sah furchtbar aus. Ihre Stirn glänzte, ihre schönen Locken hingen inzwischen platt herunter, ihre Augen waren leer und glasig wie bei jemandem, der zu viel Bier zum Abendessen gehabt hatte. Sie sah sich in ganz neuem Licht. Das knappe Spaghettiträger-Top, die ultrakurzen Shorts. Das schreiende Grün. Die Spitze. Das wirkte alles viel zu bemüht. Kein Wunder, dass Pierce sie den ganzen Abend wie die Pest gemieden hatte!
Sie änderte sofort die Richtung und verließ die Küche, um sich heimlich nach oben in Gabbys Bad zu schleichen. Sie musste sich neu zurechtmachen.
Im grellen Badezimmerlicht fuhr sie sich mit einem Kamm durch die Haare und tupfte mit einem Stück Toilettenpapier das Fett von der Stirn. Sie atmete tief durch und trank einen riesigen Becher Wasser. Sobald sie wieder nach unten kam, würde sie ihr Sweatshirt überziehen. Es passte zwar nicht zu ihren Sachen, aber wen interessierte das schon? Wenigstens würde sie sich wohler fühlen.
Als sie auf dem Weg zurück zur Treppe war, hörte sie aus Gabbys Zimmer deren gedämpfte Stimme, zusammen mit einer anderen. Skylar hörte genauer hin. Es gab keinen Zweifel: Das war die Stimme von Pierce. Was machten die beiden hier oben? Ihr wurde ganz anders. Sprachen sie etwa über sie?
Sie ging auf Zehenspitzen durch den Flur und versuchte, durch den Spalt in der Tür zu linsen, die nicht ganz geschlossen war.
Alles an ihr erstarrte: ihr Herz, ihr Blut, ihre Gedanken.
Da stand Pierce, beugte sich zu Gabby hin, um sie zu küssen. Und Gabby streckte die Arme aus, als wollte sie ihn näher heranziehen …
Skylar war schon drauf und dran, ins Zimmer zu platzen – sie konnte sich einfach nicht beherrschen –, als sie plötzlich sah, dass Gabby Pierce nicht zu sich hinzog, sondern wegschob. Sie hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück, um Gabby sagen zu hören: »Nein, tut mir leid. Pierce, ich mag dich, aber nicht so.«
Hastig huschte Skylar davon, bevor einer von beiden sie entdeckte. Blind vor Enttäuschung stolperte sie die Treppe hinunter. Natürlich, Pierce war in Gabby verliebt. Das war nicht zu übersehen. Sie musste hier weg, aber sie wusste nicht, wie sie nach Hause kommen sollte. Laufen konnte sie nicht, von Gabby bis zu ihr waren es mindestens fünf Kilometer, es war schon nach zehn und sie hatte diesen lächerlichen Schlafanzug an. Ihre Tante anzurufen, wäre zu demütigend. Sie dachte daran, Meg anzurufen. Meg würde sich bestimmt nicht über sie lustig machen, wie dämlich sie sich auch vorkam.
Wie durch Gedankenübertragung piepte in diesem Augenblick ihr Handy in der kleinen Tasche der Pyjamashorts. Es war eine SMS von Meg: Hoffe, du amüsierst dich bei der Eroberung von Ascensions gesellschaftlichen Kreisen! Und denk dran – wenn die anderen alles haben können, kannst du das auch!
Die Worte erinnerten Skylar an ihre Unterhaltung am ersten Tag im Eiscafé.
Ich würde alles tun, um eine von ihnen zu sein , hatte sie zu Meg gesagt.
Alles. Also atmete sie tief durch, setzte ein tapferes, breites Schönheitswettbewerbs-Lächeln auf und blieb.
Kapitel 9
Em wickelte ihr Seidenkleid enger um sich, als sie Gabbys Pyjamaparty verließ. Dort drin musste sich die Hitze irgendwie gestaut haben; die kalte Luft war ein Schock. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie schon ging, war aber viel zu unruhig, um die Party richtig genießen zu können.
Als sie den Wagen vor ihrem Haus parkte, warf sie aus alter Gewohnheit einen Blick auf das Nachbargrundstück. JDs Volvo stand in der Einfahrt neben dem Mustang, der mit einer Plane abgedeckt war. Sein Alu-Werkzeugkasten war noch draußen. Sie schüttelte den Kopf. Es passte gar
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