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Im Herzen der Zorn (German Edition)

Im Herzen der Zorn (German Edition)

Titel: Im Herzen der Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Miles
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Messer fallen, sprang auf die Füße, wollte weglaufen.
    Da, hinter einer Gruppe größerer Grabsteine, stand JD. Seine braunen Haare wehten leicht im Wind und die Hände hatte er in die Taschen seiner Fliegerjacke gesteckt.
    Em traute ihren Augen nicht. Sie hatte Mühe, wieder zu Atem zu kommen.
    »JD? Was …« Sie wusste nicht einmal, was sie ihn fragen sollte. Wie lange hatte er wohl schon da gestanden? Wie viel hatte er gesehen? Warum war er überhaupt da? Er ließ sie jedoch gar nicht zu Wort kommen.
    »Was zum Teufel machst du da, Em? Bist du übergeschnappt?« Er kam näher. Selbst im Dunkeln konnte sie den schockierten Ausdruck in seinem Gesicht erkennen. Keine Spur mehr von dem üblichen albernen Grinsen. Er sprach laut, in einem Tonfall, den Em gar nicht an ihm kannte. »Ein Glück, dass ich dir hierher gefolgt bin. Was hattest du – was hast du da gemacht? Er stürmte zu ihr, bückte sich und hob das Messer auf.
    Sie merkte, dass ihre Hände mit gefrorener Erde verkrustet waren und immer noch zitterten.
    »JD, ich … weiß nicht, was ich sagen soll«, sagte sie. In ihrem Kopf drehte sich alles, Dunkelheit trübte ihr die Sicht und sie hatte plötzlich Angst, ohnmächtig zu werden. Er war ihr gefolgt? Wie lange hatte er sie schon beobachtet? Hatte er mitbekommen, wie sie die Schlange tötete? Den Himmel anrief? Mit Sasha Bowlders Geist redete? Das war zu viel. »Ich bin so …«, stammelte sie. »Bitte … erzähl es bloß niemandem. Das ist nie passiert. Ich habe nur …«
    Jedes Wort, das sie sagte, war eines zu viel. Also rannte sie los, in dieselbe Richtung, aus der sie gekommen war. Fort von dem Friedhof, fort von der toten Schlange und von Sasha Bowlders Grab. Fort von JD. »Em!«, rief er. Aber sie lief schneller und schüttelte ihn ab.
    Nach einer ausgiebigen heißen Dusche saß Em in einen dicken Bademantel gehüllt am Küchentisch, rieb sich die Schläfen und starrte auf ihr Tagebuch. Die Seite vor ihr war leer. Sie hatte die vergangene Stunde damit zugebracht, ihren zitternden Körper aufzuwärmen und sich zu beruhigen, während sie sich den Schmutz unter den Fingernägeln wegbürstete. Die Szene auf dem Friedhof spielte sich immer wieder in ihrem Kopf ab, aber sie schaffte es nicht einmal, sie zu Papier zu bringen. Die arme Schlange. Das Blut. Der Dreck. JD, der plötzlich aus dem Nichts auftaucht. Sie konnte nicht fassen, dass er ihr gefolgt war.
    Es bedeutet ihm immer noch etwas .
    Nein. Sie durfte diesen Gedanken nicht zulassen. Trotzdem fragte sie sich, ob er vielleicht anrufen würde, sich nach ihr erkundigen. Oder – um Gottes willen, nein – ihren Eltern davon erzählen? Es war schlimm genug, dass ihre Noten sich parallel zu ihrem sozialen Status entwickelten und genauso schnell absackten, wie sie sich von ihrem früheren Leben entfernte. Als Folge ihrer dauernden geistigen Abwesenheit hatte sie nichts Geringeres vorzuweisen als eine ganze Reihe Klassenarbeiten und Referate, unter denen der gefürchtete Satz Bitte um Rücksprache stand. Wenn JD irgendwem erzählte, was er gesehen hatte, würde man sie garantiert als total durchgeknallt abschreiben.
    Es klingelte an der Haustür. Plötzlich durchzuckte Angst Ems ganzen Körper. Außer ihr war niemand zu Hause – ihre Eltern hatten beide Nachtschicht im Krankenhaus – und während sie anfangs dankbar für das Alleinsein gewesen war, verwünschte sie es jetzt.
    War das vielleicht JD, der gekommen war, um sie weiter zu drangsalieren? Oder (und sie war sich nicht sicher, ob das besser oder schlimmer wäre) war es jemand anderes? Seit dem Zwischenfall mit Ali, als die blonde Furie wie eine blutrünstige Stalkerin an ihrer Türschwelle aufgetaucht war, verursachten unerwartete Besucher immer wildes Herzklopfen und feuchte Hände bei ihr.
    »Hallo?«, rief sie von der Küche aus. Sie ging langsam auf die Haustür zu. Im letzten Moment nahm sie noch ein Messer aus einer der Schubladen und umklammerte fest seinen hölzernen Griff. Vorsicht war besser als Nachsicht. Und falls es JD war, na ja … er hielt sie ja sowieso schon für verrückt.
    »Hallo?«, sagte sie noch einmal, während sie sich der Tür weiter näherte.
    »Emily? Winters? Hier ist Eileen Singer. Die Mom von Chase.« Das Messer rutschte Em aus der Hand und fiel klappernd zu Boden.
    »Mrs   Singer?« Em fummelte am Türriegel herum.
    »Bist du – Emily Winters?« Mrs   Singer war klein, mager und faltig: früher einmal schön, inzwischen ungepflegt. Em hatte sie erst ein

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