Im Herzen des Kometen
weißen, spiralig gedrehten Stämmen und Verzweigungen trugen breite, fleischige Blätter. Aus dem fasrigen Material der Stämme und Zweige wurden Matten und Stoffe hergestellt, während die genießbaren Blätter zu Nahrungsmitteln verarbeitet wurden. Am Boden dieses Waldes wuchsen schattenliebende Knollenfrüchte wie Yams und Maniok im durchsickernden Licht.
Alle Pflanzen wurzelten in fettem Humusboden, der durch ein Netzwerk kleiner Rinnsale in Teiche entwässert wurde, wo Fische zwischen knorrigen Wurzeln schwammen. Sie erinnerte sich an ein Gedicht, das sie unvollendet gelassen hatte, und neue Zeilen kamen ihr in den Sinn.
In dieser glänzenden Schönheit
von Keramik und zuverlässigem Stahl
wie am uralten Meeresboden
dieselben Gesetze.
Stählerner Schlund,
lautloser Schleuderer von Blitzen,
die gestern noch organisches Haften erregten,
die fiebernden Moleküle Vereinigung,
nicht wissend, daß Wachstum Alter bedeutet.
Und es beginnt der Fortschritt des Kauens.
Weil andere wir essen, leben wir,
so wird auch dies frostige Land uns verzehren,
in geduldiger und steter Verdauung
von Herzen und Träumen,
Plänen und Wünschen,
wie schwindende Wolken im luftlosen Schwarz.
Ist schon verwehrt mir
der Weg zurück in die Jugend,
so laßt mich ruhn in der Erde Schoß.
Lieber zur Strecke gebracht
nach des langen Sommers Jagd,
den Bauch aufgerissen
(das ist keine Schande),
als wie Schlamm versickern
im Friedhofsgrund zum höflichen Gemurmel
Welch ein Verlust! Weiß ich doch, daß alles Erde wird,
den Boden zu bereiten,
wo neue Cäsaren marschieren werden,
unwissentlich
auch ihrem guten Humus entgegen.
Virginia hustete in der warmen, feuchten Luft. Es schien, daß sie ihre Gedichte nicht mehr feilen und vollenden konnte. Statt dessen zog sie immer wieder das flüchtige Hingeworfene hervor und betrachtete es, drehte und wendete es im Licht wie bunte Steine am Strand. Lag es daran, daß ein vollendetes Gedicht eine gewisse Todesstarre annahm? Das Unvollendete schien ihnen unbegrenztes Leben zu verleihen.
Als sie auf einem der schmalen Wege zurückkehrte, hatte Carl sein Gespräch mit den Pflanzungsarbeiten beendet. Es gefiel ihr, wie die gläserne Wand des Gewächshauses ihn inmitten des wuchernden Pflanzenlebens spiegelte, als triebe er in einem grünen See. Als er sich zu ihr unwandte, hob sie die Hand. »Besprechung?«
»Gewiß.« Er stand abwartend, die alte Vorsicht lauerte noch hinter seinen Augen. Sie hatte ihm so oft weh getan…
»Ich… ich wollte dir sagen…«
»Ja?«
»Ich weiß, du glaubtest, daß es… eine Chance gebe, Saul und ich könnten…«
Er lächelte vage. »Man soll die Hoffnung nie aufgeben.«
»Du hast nie aufgegeben.«
»Nein.«
»Du solltest es tun«, sagte sie freundlich.
»Ist das sicher zwischen euch?«
Virginia erinnerte sich ihrer eigenen Gedanken dazu. »Hier draußen ist nichts sicher, du weißt das. Nein, es ist bloß, daß du solch… na, traditionelle Ziele hast.«
»Träume, würde ich sagen.« Carl lächelte, und in seinen Zügen war ein warmer, etwas trauriger Humor, als sei er sich seiner eigenen Fehler nur allzu bewußt. Sie sah, daß er ihre Eröffnung höflich und mit Haltung aufnehmen würde. Die Zeit hatte ihm Reife verliehen, und einen Firnis, ein Selbstgefühl. Er hatte sich in diesen Jahren sehr verändert, ohne daß es ihr aufgefallen wäre. Sie war so auf Saul konzentriert gewesen…
Sie suchte nach Worten, doch er kam ihr zuvor und sagte: »Zugegeben, hier draußen hat die Vorstellung von Liebe und Familie, dieses ganze trauliche Bild, keine reale Bedeutung.
Wir haben noch keinen Weg gefunden, wie man die Kinder zuverlässig vor den Folgen der Schwerelosigkeit und Infektionen mit einheimischen Viruserregern schützen kann.«
»Du wirst nie eine Familie mit mir haben.«
»Damit habe ich mich abgefunden. Saul übrigens auch nicht.«
»Nein, aber nicht wegen seiner Sterilität, sondern wegen der meinigen. Ich… ich kann keine Kinder haben.«
Er öffnete den Mund, sagte aber nichts. Der Firnis war verschwunden, und wieder sah sie den alten Carl, voller Sehnsucht und Verlangen. »Ich… ich konnte es nie jemandem sagen. Es dauerte Jahre, bis ich es Saul anvertrauen konnte.«
»Gott… es tut mir leid.«
Sie fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen traten. »Ich habe mich damit arrangiert.« Aber warum weinte sie dann? Sie ärgerte sich über sich selbst.
»All die Zeit…« Er schüttelte den Kopf. Seine Züge waren offen und wirkten irgendwie
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