Im Herzen Des Lichts
der Mann unbedingt seine Aufmerksamkeit lenken wollte. Der Bursche hatte Samlor beim Betreten des Wilden Einhorns eingeschätzt und seinen Beruf aufgrund seiner Aufmachung erraten. Vielleicht der Trick eines Betrügers, aber nicht eines Meuchlers.
Trotzdem würde er kein Risiko eingehen.
»Wann gehen wir schlafen, Oheim?« fragte Stern fast weinerlich, was bedeutete, daß sie sehr müde war.
Stern war ein ungewöhnliches Kind, aber trotzdem eben noch ein Kind.
»Zwei Krug blauen Hannes«, bestellte der Cirdonier so laut, daß der Wirt ihn auch über den halben Schanktisch hinweg hören mußte. Aber der Mann blickte sie ohnehin bereits an, er sah aus wie ein etwas zu fett geratener Ringer, sein Haar lichtete sich, und seine Narben verrieten, daß er diese Arbeit oder ähnliche seit vielen Jahren ausübte.
Auch wenn ihn etwas während dieser Zeit den linken Daumen gekostet hatte, war er es jedenfalls, der noch lebte und die Geschichte erzählen könnte. Und das war es, worauf es ankam.
»Ich möchte.«, sagte Stern mit schriller Stimme.
»Und zwei Bier, um ihn hinunterzuspülen«, rief Samlor, um sie zu übertönen. Während seine Linke nach seinem Beutel am Gürtel langte, strich er flüchtig über Sterns Kapuze, wo sie den Wirbel weißen Haares bedeckte, dem sie ihren Namen verdankte. Sie verstummte, obwohl die Berührung sanft war.
Sterns Mutter hatte sich in Dinge verstrickt, die sie schließlich umgebracht - oder vielmehr dazu geführt hatten, daß sie sterben mußte. Ihr Kind hatte erschreckende Kräfte, wenn Notwendigkeit und Umstände zusammentrafen, sie zu wecken.
Aber Samlor hil Samt brauchte keine Magie, um jemanden einzuschüchtern, der ihn so gut kannte wie das Kind. Er würde sie nicht schlagen. Sein Zorn war so wirklich wie das Gestein, das weiß in den Abgründen eines Vulkans glühte.
Stern war alt genug, diesen Zorn zu erkennen, und klug genug, ihn zu vermeiden, selbst wenn sie übermüdet war.
Die Münze, die Samlor zwischen Mittel- und Zeigefinger seiner Linken hielt, war verhältnismäßig klein, aber aus Gold. Sie zeigte dem scharfäugigen Wirt an, daß sein Gast mehr als nur zu trinken wollte, und sein Versprechen, daß er für den zusätzlichen Dienst gut bezahlen würde. Der Mann hinter dem Schanktisch nickte und schöpfte geronnene Milch aus einer irdenen Kanne unter der Theke.
Es gab kein erfrischenderes Getränk als blauer Hannes für einen Wanderer, der müde und hungrig war. Es war ein Getränk für Karawanenleute - und Samlor war ein Karawanenmann, das sah ein jeder, noch bevor er bestellt hatte. Er hätte sich nicht wundern dürfen, daß der Fremde ihn entsprechend angeredet hatte.
Samlor trug einen Umhang, den er halb hochgesteckt hatte wie beim Reiten. Wenn er schlief oder kaltem Wind ausgesetzt war, konnte dieses Kleidungsstück ihn vom Kopf bis zu den Zehen schützen. Die geschorene Wolle, aus der es dicht gewebt war, hatte einen natürlichen blauschwarzen Ton, aber es war nie gewaschen oder gefärbt worden, so machte das Lanolin, das dadurch in der Wolle geblieben war, den Umhang fast wasserundurchlässig.
Auch der Kittel, den er darunter trug, war aus Wolle, doch rostbraun gefärbt. Wenn er auf der Karawanenstraße noch vor Morgengrauen aufbrach, trug Samlor bis zu drei ähnliche Kittel übereinander, die er nach und nach auszog und hinter seinen Sattel band, je wärmer die Sonne schien.
Sein Unterkleid war aus Seide, der einzige Luxus, den Samlor sich leistete, während er unterwegs war.
Er war ein breitschultriger Mann mit mächtiger Brust, doch selbst für einen noch größeren, kräftigeren Mann wären seine Handgelenke dick gewesen. Die Haut seiner Hände und seines Gesichts war rauh von unzähligen Stürmen.
Wenn Samlor lächelte, was selten vorkam, huschte dieser Ausdruck mit der Verlegenheit eines Besuchers über sein Gesicht, der versehentlich an der falschen Tür geklopft hat. Wenn er Befehle erteilte, blieb seine Miene unbewegt, und aus seiner kühlen, brüsken Stimme sprach absolutes Selbstvertrauen.
Wenn Samlor hil Samt zornig genug war zu töten, sprach er weichen, spöttischen Tons. Die Muskeln spannten sich über seine Wangenknochen und zogen sich zu einem Ausdruck zusammen, der sein Gesicht fast nichtmenschlich erscheinen ließ.
So zornig wurde er jedoch sehr selten, und jetzt war er nicht wirklich zornig, nur vorsichtig, und er brauchte dringend Auskunft, bevor er Stern und ihr Erbe aus dieser verdammenswerten Stadt bringen konnte.
Die dicke
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