Im Herzen Des Lichts
war wieder so dunkel wie in einer Gruft.
Doch Sterns Haarwirbel brannte einen Moment lang wie im Herzen des Lichts.
Originaltitel: Inheritor
Copyright © 1987 by David Drake
----
(2) Siehe Göttin von David Drake, Geschichten aus der Diebeswelt: Zum Wilden Einhorn, Bastei-Lübbe 20093
Enas Yorl
Ein Erbarmen schlimmer als keines
John Brunner
Bei Lampenlicht und Feuerschein saß Jarveena vom Vergessenen Hain an einem Winterabend beim Mahl mit dem Mann, für den sie seit sieben Jahren als Auslandsvertreterin arbeitete.
In den Jahren, seit sie ihm lediglich als Schreiberin und Übersetzerin gedient hatte, hatte Meister Melilot sich wenig verändert. Zugegeben, sein Leib hatte an Umfang zugelegt - der Satinrock, den er mit Fett bespritzte, während er sich seine dritte Wildente zu Gemüte führte, spannte sich über dem Bauch -, aber sein talgiges Gesicht war immer noch faltenfrei, und daran würde sich vermutlich bis zu seinem Lebensende nichts ändern.
Ganz gewiß hatte sein Wesen sich nicht verändert. Obwohl er nun bedeutend reicher war als damals, war auf den ersten Blick nicht viel davon zu bemerken. Er trennte sich noch genau so ungern von Geld und tat es nur, wenn es gar nicht anders ging; sein Essen kam nach wie vor von dem Feuer, das er mit der Küche und der Buchbinderei gleich neben dem Skriptorium im Erdgeschoß teilte, und jene, welche die leiterähnlichen Stiegen mit Weinkannen und sowohl vollem wie leerem Geschirr hinauf- und hinunterkletterten, waren wie früher Lehrlinge, die momentan nicht mit Kopieren oder Studieren beschäftigt waren. Zahllose andere hätten mit ihrem Geld geprotzt und Sklaven gekauft oder sich einen dieser Aufzüge einbauen lassen, wie sie seit einiger Zeit in Ranke so beliebt waren, mit denen man kochend heiße Speisen durch einen in der Wand eingelassenen Schacht befördern konnte. Er wußte, daß eine Zurschaustellung weltlicher Güter nur Diebe anlockte, und es widerstrebte ihm, Geld für Wächter auszugeben. Da kam ihm die Wachsamkeit seines Personals bei Tage billiger und des Nachts die Anwesenheit der Gänse, die er auf dem Dach untergebracht hatte, in der Notunterkunft des heruntergekommenen Edlen, dessen Vorväter dieses einst prächtige Herrenhaus erbaut hatten. Inzwischen hatte der dem Trunke huldigende Edle die ewige Ruhe gefunden, und nun konnte man sich darauf verlassen, daß die Gänse bei jedem nächtlichen Schrei oder Schritt, einem quietschenden Riegel oder knarrenden Fensterladen, zuverlässig die nächtliche Ruhe aller im Hause störten.
Außerdem war es nicht unter der Würde der Wachen, die man hier in Freistatt bekommen konnte, ihre Auftraggeber zu berauben, wenn sie glaubten, mit der Beute davonkommen zu können.
Trotz seines unverkennbar guten Appetits fühlte Melilot sich unbehaglich. Außer Jarveena saß noch ein Gast an seiner Tafel. Es war nicht seine Art, Fremde in seine Privatgemächer einzulassen. Hätte Jarveena nicht persönlich für ihn gebürgt, wäre er keinen Schritt über die Geschäftsräume im Erdgeschoß hinausgekommen.
Doch sie hatte sich auf äußerst beunruhigende Weise für ihn eingesetzt. Hatte er das Mädchen - die Frau, korrigierte sich Melilot - betört? Durch Magie vielleicht? Gehörte ihre Anwesenheit etwa zu einem Komplott gegen ihn? In Freistatt war solches Mißtrauen aus lebenslanger Gewohnheit schon fast selbstverständlich.
Zwischen den einzelnen Bissen plauderte er so unterhaltsam über den neuesten Klatsch, wie man ihn sonstwo in der Stadt hören mochte, aber vertrauenswürdiger, da sein Wissen auf Einblick in Dokumente beruhte, die er tagtäglich zum Kopieren oder Übersetzen bekam. Melilot musterte Jarveena aus den Augenwinkeln. Sie hatte sich im letzten Jahrzehnt viel mehr verändert als er, aber sie bevorzugte immer noch Männerkleidung: Stiefel, ein wadenlanges Beinkleid und geschnürtes Wams. Und nach wie vor war sie mit den schlimmen Narben gezeichnet, die sich allerdings bei weitem nicht mehr so stark abhoben wie früher. Sie waren der Grund ihres jährlichen Besuches von Freistatt und auch dafür, daß sie noch nicht so reich war wie Melilot. Zauber waren nicht billig, schon gar nicht, wenn man Enas Yorl darum angehen mußte, einen der drei größten Magier im Land.
Durch seine Hilfe waren die Striemen auf ihren Händen und Armen verblaßt, bis sie unter ihrer dunklen Haut kaum noch zu bemerken waren - vermutlich war es auch auf ihren übrigen Körperteilen nicht anders, denn ihre einst ungleichen
Weitere Kostenlose Bücher