Im Herzen Des Lichts
Brüste hatten sich inzwischen links und rechts gleichmäßig gerundet, was bedeutete, daß die braune Narbe fortgezaubert war, wodurch sie so wohlgebaut war wie jede Frau ihres Alters, die noch kein Kind geboren hatte. Immer noch, wenn sie über eine besonders amüsante Geschichte ihres Gastgebers lachend den Kopf zurückwarf, vermochte man die häßliche Narbe zu sehen, die sie enthüllen konnte, indem sie die Stirn stark runzelte. Mit dieser Narbe hatte sie seinerzeit, als sie noch hier wohnte, unfolgsame Lehrlinge eingeschüchtert.
Oh, sie war schon immer ein wenig seltsam, diese Jarveena. Er war wirklich erleichtert gewesen, als sie sich entschlossen hatte, Freistatt mit einem Schiff zu verlassen, damals, nach der unangenehmen Geschichte mit einer verzauberten Schriftrolle, dem Verrat eines Offiziers in Vertrauensstellung und dem Attentatsversuch auf den Prinzen. (3)
Ja, wahrhaftig. Das Leben war bedeutend angenehmer, wenn er wußte, daß diese unberechenbare Person, halb loyale Angestellte und halb explosiver Hitzkopf, sicher auf See oder in fernen Häfen für ihn Geschäfte aushandelte. Die Zeiten, wenn sie zurückkam, um sich ihre Provision zu holen und den größten Teil davon an einem einzigen Tag ausgab, waren alles andere denn die glücklichsten in Melilots Leben.
Und nun war sie zum ersten Mal in männlicher Begleitung gekommen. Er legte den Rest der dritten Ente weg, rülpste zwanglos und rief nach mehr Wein, dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem Fremden zu, während er eines der besten und komischsten Gerüchte seit langem zum besten gab, das er erst vor kurzem gehört hatte. Es ging dabei um die Heimsuchung eines alten Gauners, eines Kapitäns namens Stong, halb Seemann, halb Schmuggler, der unwissentlich sowohl eine Truhe voll Silber an Bord genommen hatte, über die Mizraith vor langer Zeit einen Zauber gewirkt hatte - einen, der früher oder später ihre Rückgabe an ihren rechtmäßigen Besitzer erzwingen würde -, sowie das Opfer eines S’danzofluches, der diese Person aus Freistatt vertrieb und sie der Stadt für immer fernhalten würde.
Melilot schmückte diese Geschichte mit allen möglichen Einzelheiten aus, viele davon aus dem Stegreif. Und Jarveena genoß sie außerordentlich. Auf eine Weise hatten ihre ausgedehnten Reisen sie wahrhaftig verwandelt, sie hatte Humor erworben. Als Halbwüchsige war ihr Humor fremd gewesen, denn sie hatte nichts zu lachen gehabt.
Ihr Begleiter jedoch bemühte sich nicht einmal um einen Hauch von Lächeln. Sein düsteres Gesicht blieb so unbewegt wie das eines aus Stein gehauenen Idols, nur bei der Erwähnung des S’danzofluches hatte er die Brauen zusammengezogen und Jarveena mit einem finsteren Blick bedacht.
Was, fragte sich Melilot, mochte sie veranlaßt haben, diesen ungehobelten Kerl mitzubringen? Bis jetzt kannte er nur seinen Namen, und der war ausländisch und fast unaussprechlich, er klang wie >Klikitach<.
Mancherlei ließ sich allerdings aus seinem Aussehen schließen. Er hatte breite Schultern, eine kräftige Brust, große, sehnige Hände; Wangen und Stirn zwischen dem blonden Bart und dem üppigen flachsfarbenen Haar waren durch die lange Seereise zu einem blassen Rot verbrannt.
Doch noch nie in seinem ganzen Leben hatte Melilot in einem Gesicht so unendliches Elend gesehen, nicht einmal in dem Antlitz von Enas Yorl, der das Opfer grausamen Zaubers war, der in unvorhersehbaren Abständen sein Äußeres, sein Geschlecht, ja hin und wieder sogar seine Spezies veränderte.
Melilot beendete seine Geschichte, und Jarveena, die schallend lachte, klatschte. Die hübsche Zehnjährige, die stumm in der Ecke neben der Weinkanne wartete, mißverstand ihren Beifall als Aufforderung nachzuschenken und beeilte sich zu gehorchen. Melilot hoffte, die Zunge des Fremden etwas zu lösen, und bei diesem Bemühen war der Wein sein bester Verbündeter.
»Ich bemerkte, mein Herr«, sagte er mit einer Mißbilligung, die nur teilweise vorgetäuscht war, »daß Euch die Nöte des bedauernswerten Kapitäns Stong nicht amüsieren. Kann man daraus schließen, daß Ihr mit den zum Verständnis wichtigen Details nicht vertraut seid? Damit meine ich den S’danzofluch und die Zauberkünste des legendären Mizraiths?«
Klikitach rutschte auf seinem Stuhl und gab zum ersten Mal mehr als einen heiseren Laut von sich; er hatte sich nicht einmal für das köstliche und großzügige Mahl bedankt.
»Nein, Meister«, antwortete er. »Teils sein schuld, ich nicht gut kann
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