Im Herzen Des Lichts
dessen Muster ihm jedoch nicht zusagte. Aber er konnte ihn ja gegen etwas anderes austauschen oder als Geschenk verwenden.
Avenestra trat kauend ein.
»Es wartet niemand mehr, Ohm. Ich habe das Schild >Geschlossen< vor die Tür gehängt, wie du gesagt hast.«
»Gut!« Strick stand auf und streckte sich.
»Oh! Ist das ein herrlicher Stoff!«
»Er gefällt dir, Avneh?«
»Er ist wunderschön, Ohm. Ich mag so ein Schnörkelmuster!«
»Wir können zwar nichts gegen dein Verlangen nach Süßigkeiten tun, armes Baby, aber wenn du mir beweist, daß du hier hereinkommen kannst, ohne was zu kauen, werde ich sehen, was wir dir aus diesem Stoff machen lassen können.«
»Oh, tut mir leid, Ohm. Mutter Shipri, gib mir die Kraft!« Strick tätschelte ihre Schulter und drehte sich zur Seite, um zu verhindern, daß sie ihn umarmte, denn er sah, daß zumindest eine Hand klebrig von irgendwelchem Naschwerk war, und eilte die Treppe hinunter. Er winkte Fulcris zu sich, übertrug Avenestra die >Verantwortung< und Frax die Bewachung des Geschäfts. Dann verließ er mit Fulcris das Haus, um sich zur Straße der Goldschmiede zu begeben.
Nadeesh der Heiler hatte von dem ausländischen Zauberwirker gehört, der hierhergekommen war, um Gutes für Freistatt zu tun. Sein kummervoll aussehender Diener führte die Besucher zu ihm. Nadeesh der Heiler war ein dürrer Mann mit leichengrauen Strähnen. Er sah aus wie siebzig oder älter. Außerdem trug er nur einen Ohrring, wie Strick und Fulcris feststellten. In eine schreiend bunte Tunika gewandet, die nur über Knochen drapiert zu sein schien, saß er in einem dämmrig verhangenen Gemach. Strick erkannte sofort, daß er sich in in einem schlimmen Zustand befand, nicht nur wegen der Wunde, die verriet, daß ihm der linke Ohrring mit mitleidloser Gewalt aus dem Läppchen gerissen worden war.
»Was fehlt Euch, mein Herr?«
»Ich kann keine Ursache finden, mein Herr. Gestern abend meinte ein Freund, der ebenfalls Arzt ist, daß es vielleicht ein -Zauber sei.«
Strick entging nicht, daß der viel zu dünne Mann bei diesen Worten zitterte. Strick, der Zuversicht zeigte und darauf bedacht war, daß er sie auch übertrug, schlug vor, nachzusehen.
Nadeesh erklärte sich nervös damit einverstanden.
»Was - was müßt Ihr tun?«
»Ihr braucht mir nur etwas Wertvolles zu geben und Euch dann ruhig auszustrecken und zu versuchen, an nichts zu denken. Ich werde lediglich die Hände auf Eure Schultern legen, das ist alles.«
Der Heiler schnaubte. »Die Götter wissen, zu wie vielen Patienten ich das schon sagte! Dabei ist uns doch klar, daß das völlig unmöglich ist!«
Mit einem schwachen Lächeln nahm Strick die angebotene Münze entgegen und berührte die Schultern, die sich unter der gelben Tunika wie nur mit Haut überzogene Knochen anfühlten. Der Magier aus Firaqa war durchaus imstande, ins Nichts zu blicken. Er benötigte lediglich Sekunden, um die Ursache von Nadeeshs Leiden zu erkennen.
»Euer Freund hat recht, Heiler. Jemand hat Euch mit einer schlimmen Verwünschung bedacht.«
Nadeesh stöhnte.
»Und er hat eine Barriere zurückgelassen. Würdet Ihr an ein Tor oder eine Tür denken, die sich öffnet, an eine Höhle mit weiter Öffnung. Nein, nein, verhaltet Euch still, aber nicht steif!«
Die Verwünschung kam von einem gewisse Marype, Sohn des Zauberers Mizraith und vor langer Zeit Lehrling eines Schwarzen Magiers namens Markmor. (9) Alle Welt wußte, daß Marype tot war! Aber diese Verwünschung ist nicht so alt! Marype ist zweifellos sehr lebendig! Außerdem hat er das Gesellenstadium hinter sich gelassen! Strick konzentrierte sich, und Schweiß rann ihm über das Gesicht. Schon bald erkannte er, daß die Wirkung der Verwünschung so stark war, weil Marype in den Besitz eines persönlichen Gegenstands des Arztes gelangt war.
»Ah! Der Ohrring und ein wenig Blut!«
»Wa-as?« Die Stimme des vergreisten Arztes bebte.
Strick nahm die Hände von den knochigen Schultern und setzte sich neben den Mann. Der Zauberwirker war nun überzeugt, daß der Heiler vor dieser bösartigen Verwünschung mindestens fünfzehn Jahre jünger ausgesehen hatte.
»Wie habt Ihr Euren Ohrring verloren?«
»Vor etwa zwei Monaten überfielen mich eines Nachts Straßenräuber und - bei den Göttern! Das begann gleich danach!
In diesen vergangenen zwei Monaten habe ich unglaublich abgenommen - und Kraft verloren!«
»Das waren keine Straßenräuber, Nadeesh, sondern Männer, die man für einen ganz
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