Im Herzen Rein
mehr nach Hause gekommen war. Dort war sie nicht getötet worden. Die Art, wie der Killer sie gefoltert und ermordet hatte, hätte Spuren hinterlassen.
Die Zeugenaussagen der Kollegen im Café belegten, dass Johanna Frenzis letzter Arbeitstag vor ihrem Verschwinden ganz normal verlaufen war. Es gab keinerlei Auseinandersetzungen mit den Gästen. Niemand hatte Nasenbluten bei ihr bemerkt, zu niemandem hatte sie derartige Beschwerden geäußert. Also waren die Verletzungen und das Blutgerinnsel in der Nase nicht vor oder während Johannas Arbeit entstanden, sondern danach. Nach ihrem Kidnapping.
Die Spermaspuren hätte man auch nicht mehr bei ihr feststellen können, wenn sie den Geschlechtsverkehr in der Nacht vor ihrem letzten Arbeitstag gehabt hätte. Das wäre zu lange her gewesen. Mendel musste sie nach Verlassen des Cafés Donnerstag gegen 0.30 Uhr abgefangen und verschleppt haben. Man wusste nur noch nicht, wohin.
Chris ließ ihn nicht aus den Augen.
Vermutlich las er gar nicht den Haftbefehl, sondern benutzte die Pause, um sich etwas zurechtzulegen.
Langsam hob er den Kopf, und dann kam es. In leisen Sätzen gab er zu, in jener Nacht mit Johanna Sex gehabt zu haben.
»Ja, ich hatte ihr nicht nur den Titel der CD aufgeschrieben, sondern auch meine Handynummer. Sie rief mich noch am selben Tag an, und wir verabredeten uns. Wir waren vierzehn Tage zusammen, fast jeden Tag. Ich wollte es wegen meiner Frau nicht sagen.«
»Wie spät war es, als sie zu Ihnen in den Wagen stieg?«
»Etwa ein Uhr.«
»Das kann nicht sein. Wenn sie nach der Arbeit in Ihr Auto gestiegen wäre und ihr eigenes Auto dort stehen gelassen hätte, wie wäre es dann vors Kino gekommen?«
»Was weiß ich. Jedenfalls sind wir zu ihr gefahren wie immer.«
»Das kann auch nicht sein. Ein Zeuge hat nachts auf Johanna Frenzi gewartet - vor ihrer Haustür. Sie ist dort nicht angekommen.« Paulas Stimme war angespannt.
Mendel wurde kiebig. »Was soll das Ganze? Was habe ich mit dem Mord zu tun?«
»Die Kleinigkeit, dass Ihre Spermien in der Leiche gefunden wurden.«
»Ich habe mit dem Mord nichts zu tun. Und dass wir Sex hatten, habe ich zugegeben.«
»Das können Sie auch nicht leugnen, weil wir Ihre DNA haben. Aber der Rest ist gelogen. Wo waren Sie Sonntag zwischen 19.00 und 20.30 Uhr? Das ist die Zeitspanne, in der die Tote ins Kino gesetzt wurde. Sie werden das in der Presse verfolgt haben.«
»Um 19 Uhr?« Er schien zu überlegen.
»Haben Sie?« Paulas Ton wurde noch schärfer.
»Habe ich was?«
»Haben Sie die Presseberichte über Johanna Frenzis Ermordung verfolgt?«
»Ja, sicher. Schrecklich.«
Für diese lapidare Reaktion hasste Chris ihn, und sie war sicher, dass Paula ihn am liebsten angebrüllt hätte. Sie blieb aber ruhig. »Und deswegen haben Sie uns anfangs gesagt, dass Sie sie nicht kennen. Nicht wegen Ihrer Frau. So ist es doch, oder?«
»Ich sagte Ihnen doch, meine Frau ist rasend eifersüchtig.«
»Wo waren Sie um 19 Uhr?«
»Ich war zu Hause. Meine Frau geht sonntagabends immer zum Hallentennis, und dann nutze ich die Zeit, meine OP-Berichte zu schreiben.«
»Und Sie haben niemanden, der das bezeugen kann, richtig?« Chris spürte Paulas unterdrückte Wut.
»Ein Freund hat mich angerufen. Auf meiner Festnetznummer. So gegen 20 Uhr.«
»Wie heißt er?«
»Dr. Matthias Boldt, ein Kollege.«
»Wo waren Sie am 18. September, Montag, ab 20 Uhr?«
Mendel sah Paula irritiert an.
Chris wartete gespannt auf seine Antwort. Dies war der Abend, an dem Silvia Arndt verschwunden war.
Mendel überlegte. »Da habe ich operiert. Einen Magendurchbruch.«
Paula stand auf. »Sie bleiben erst einmal in Untersuchungshaft, Herr Mendel, bis wir Ihre Angaben überprüft haben.« In der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Sie können sich jederzeit an einen Beamten wenden und ihm den Namen eines Strafverteidigers nennen.«
Als Paula über den Flur ging, hörte sie ihr Handy - sie hatte eine SMS erhalten. »Ich denke an dich. Du auch an mich? Jonas.«
Sie spürte die Versuchung, sich verführen zu lassen, und war wütend. Er sollte sie in Ruhe lassen. »Nein. Keine Zeit.« Ohne Gruß feuerte sie die Antwort los.
Sie ging zu Chris. »Du hast ihn nicht wiedererkannt?«
Die Freundin schüttelte den Kopf. »Das war nicht der Typ in Wiesbaden; eine Unterhaltung mit ihm wäre nach zehn Minuten zu Ende gewesen. Schon allein die Stimme. Mit dem wäre ich bestimmt nicht im Bett gelandet. Am Ende kam er mir wie ein killendes
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