Im Herzen Rein
fürs Examen geholfen hatte. Aus der Studienzeit war dann ganz selbstverständlich ein gemeinsames Leben entstanden. Sie seien ein gutes Team, sagte sie, sie gäben sich gegenseitig Halt und führten eine gute Ehe. Ein Problem sei nur ihre Eifersucht.
Sie schien sich zu öffnen. Paula fragte, ob sie Grund zur Eifersucht habe.
»Eigentlich nicht«, wehrte sie ab, »aber ich sehe im Krankenhaus jeden Tag, was da alles los ist.«
»Hat er sie denn mal betrogen?«, fragte Paula direkter.
»Nein«, kam es entschieden. Und dann mauerte sie: Er brauche seine Unabhängigkeit, sei aber immer nett und freundlich, habe noch nie ihren Geburtstag vergessen und bringe auch zwischendurch Geschenke mit.
Nach jedem Betrug ein Geschenk, dachte Paula und fragte, wann sie denn das letzte Geschenk bekommen habe.
Ein winziges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, und sie sagte, ohne nachzudenken: »Am Montag. Nach der Klinik brachte er mir ein Parfum mit.«
Paula nickte verständnisvoll lächelnd und fragte: »Welches benutzen Sie denn?«
»Cool Water von Davidoff.«
»Und das hat er Ihnen mitgebracht?«
»Nein, er wollte, dass ich mal etwas anderes ausprobiere.«
»Und was war es?«
»Chanel N° 5.«
Paula horchte auf. Das war das Parfum, das Johanna Frenzi benutzt hatte. Sie hatte es in ihrer Handtasche gehabt.
Endlich hörte die Spülmaschine auf. Die beiden Frauen schwiegen. Die Stille stand im Raum.
Paulas Handy-Melodie ertönte, und Chris teilte ihr mit, dass sie gerade darauf gekommen sei, was ihr an Mendel doch irgendwie bekannt vorkam: der Name. Vor einem halben Jahr hatte sie eine Akte mit einer Anzeige wegen Nötigung, Beleidigung und Körperverletzung auf dem Schreibtisch gehabt. Eine Sieglinde Mendel hatte ihren Ehemann beschuldigt, sie geschlagen zu haben. »Ich wollte dir das sagen, vielleicht bist du ja noch bei der Hausdurchsuchung.«
»Ja, bin ich«, sagte Paula. »Schick mir die Akte in die Keithstraße.«
Sie entschuldigte sich bei Frau Mendel für die Störung und fragte, wo sie stehen geblieben waren.
Als hätte es keine Unterbrechung gegeben, sagte sie: »Er ist Chirurg, ein Helfer, er kann keinem etwas antun.« Sie schaute vor sich hin. »Dazu ist er nicht imstande.«
»Frau Mendel, Sie haben ihn vor einem halben Jahr wegen Körperverletzung angezeigt. Hat er sie da an den Brüsten verletzt?« Paula dachte an die Brandmale bei Johanna Frenzi.
Die Frau stand auf, nahm eine Tasse aus der Spüle, füllte sie mit Leitungswasser und trank. »Ich habe manchmal Sodbrennen«, sagte sie, trocknete die Tasse wieder ab und stellte sie zurück in den Schrank. »Was haben Sie gefragt?«
»Wo hat Ihr Mann Sie verletzt?«
Sie starrte sie wie erschrocken an, sagte aber kein Wort.
»Er hat Sie geschlagen - hat er Sie auch an den Brüsten verletzt?«
Sie sagte nichts, aber ihre Kopfbewegung hätte man auch als ein Nicken interpretieren können.
Tommi kam herein, ausgerechnet jetzt. Paula zwang sich zu einem freundlichen Ton. »Was ist?«
Er zeigte ihr die rechte Manschette und die Vorderseite eines weißen Oberhemdes: bräunliche Flecken. Getrocknetes Blut.
Paula fragte Sieglinde Mendel, ob es ihr Blut sei.
Sie schüttelte den Kopf, aber das kam Paula eher wie eine Lüge vor, um ihren Mann nicht zu belasten.
»Wir nehmen das Hemd mit. Tommi, bitte -«
»Schon klar.« Er machte die Tür hinter sich zu.
»Sie tun Ihrem Mann keinen Gefallen, wenn Sie uns die Wahrheit verschweigen. Im Gegenteil, es könnte ihn entlasten.«
Frau Mendel lachte bitter. »Ich habe bestimmt nichts mit einem Mord zu tun. Er aber auch nicht. Auch wenn er manchmal seltsam war und mir wehgetan hat.«
»Was hat er gemacht?«
»Er hat mich geschlagen«, sagte sie tonlos. »Aber nur, wenn er verzweifelt war. Er konnte so verzweifelt sein, dass er die Beherrschung verloren hat, doch dann hat es ihm gleich wieder leidgetan.«
»Hat er sie nicht am Busen verletzt?«
Sie zögerte einen Moment. »Doch. Das war der Grund, warum wir Streit hatten, ich mochte das nicht.«
Als Paula abends im Bett lag, wollte sie lesen, um sich abzulenken, aber sie ließ das Buch schon nach der ersten Seite sinken. Sie starrte an die Decke. Sie hatte die Tür aufgelassen, weil Ralf nicht da war. Kater Kasimir kam hereingeschlichen und legte sich auf ihre Füße.
Paula blieben jetzt nur noch Routinearbeiten, und dennoch konnte sie sich nicht entspannen. In ihrem Körper rauschte es, als würde die Mendel’sche Spüle in ihr weiterlaufen.
Die
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