Im Herzen Rein
müssen. Das Ausstellen des Kadavers auf dem Küchentisch deutete darauf hin, dass er Paula als Leiterin der Ermittlungen ein Zeichen setzen wollte. Im Sinne von Bachs Theorie: »Ich bin unantastbar, verletzbar bist du.« Er war in ihre Wohnung, in ihre Privatsphäre eingedrungen. Der Gedanke ekelte sie an. Wollte er die Freilassung Mendels?
Und die Tickets? Sollte er gewusst haben, dass Chris sie abholen würde, und wollte er sie ihr so überreichen? Hier hast du deine Tickets! Nimm sie aus dem Maul der erdolchten Katze.
»Er meinte mich«, sagte sie. »Wenn die Kollegen da sind, bringe ich dich nach Hause.«
Chris zitterte nicht mehr , schluchzte nur noch ab und zu. Sie suchte nach einem Taschentuch, und Paula holte ihr aus dem Bad eine Handvoll Papiertücher.
Sie tupfte sich die Tränen ab. »Nicht nach Hause. Es geht schon wieder. Tut mir leid wegen Kasimir. Das muss schlimm für dich sein.«
»Im Moment begreife ich es noch gar nicht. Schlimm wird es heute Abend und morgen früh. Daran will ich jetzt nicht denken. Justus wird das hier übernehmen, da werde ich nicht gebraucht. Ralf ist auf der Party bei Heiliger, der wird erst morgens nach Hause kommen. Ich kann also mit zu dir kommen und bei dir bleiben. Für mich ist es auch gut, rauszugehen.«
Sie hörte von draußen Stimmen, und einer der Uniformierten rief: »Die Kollegen sind da.«
Paula ließ Justus, Tommi, Waldi, Max und Marius herein. Sie hatten bereits die Schutzanzüge an. Paula bat Chris, auf der Couch zu bleiben, während sie den anderen die Küche zeigte und ihnen kurz erklärte, was passiert war.
»Es entlastet Mendel«, sagte Marius. »Oder?«
»Das Seltsame ist, dass er nach der Mittagspause auffällig sicher war, dass wir ihn demnächst laufen lassen müssten. Er sagte auch, dass seine Frau alles für ihn tun würde . «
»Aber wie ist der Täter hier reingekommen? Gibt es irgendwelche Spuren?«, fragte Tommi.
»Keine Spuren«, sagte Paula.
Chris rief aus dem Wohnzimmer: »Aber die Tür war nicht verschlossen, nur zugezogen.«
»Ralf und ich schließen immer ab.«
»Ein Türschloss ist bei Profis kein Problem.«
Justus hatte sich die ganze Zeit über Kasimir von allen Seiten angesehen. »Ein schönes Tier«, sagte er. »Meine Frau hat eine Koratkatze.«
»Danke für die Anteilnahme«, sagte Paula knapp.
Waldi überlegte. »Du meinst, Frau Mendel hat euch beobachtet und deinen Kater umgebracht, um damit einen Beweis zu erbringen, dass ihr Mann nicht der Frauenmörder sein kann?«
»Wäre das so dumm?«, fragte Paula. »Auf jeden Fall möchte ich, dass ihr sie überprüft.«
Max war auf dem Flur und sagte um die Ecke: »Dass es die Staatsanwältin war, scheidet wohl aus.«
»Manchmal sind Witze nicht angebracht. Jetzt zum Beispiel«, sagte Paula und ging ins Wohnzimmer. Sie hörte, wie Tommi Max zusammenstauchte und Max sich verteidigte, es würde ja sonst auch jeder in der Nähe des Opfers überprüft.
»Ich bring dich nach Hause«, sagte sie zu ihrer Freundin.
Doch Chris lehnte das kategorisch ab. Sie fürchte sich davor, zu Hause herumzusitzen. Sie wolle lieber zu dem Kunstereignis.
Im ersten Moment glaubte Paula, sie mache einen Scherz, aber dann merkte sie, dass es ihr ernst war.
Chris legte den Arm um sie und sagte liebevoll: »Es ist auch für dich das Beste nach diesem Schrecken. Hier kannst du jetzt nichts tun. Wir brauchen beide eine Ablenkung. Es ist das Beste, was wir jetzt tun können.« Dabei zog sie sie ins Bad. »Ich hübsche mich ein bisschen auf, mach du dich auch zurecht.«
Paula wäre nie auf die Idee gekommen, jetzt unter die vielen Menschen zu gehen, doch Chris schien fest entschlossen. Es war nur die Frage, ob sie sie allein gehen ließe oder sie begleitete. Vielleicht ist Ablenkung tatsächlich das Beste im Moment, dachte sie.
Sie entschied sich, mitzugehen, auch um in Chris’ Nähe zu sein und sie notfalls aufzufangen. Vielleicht hatte sie einen Schock. Bei manchen Menschen kam der Zusammenbruch erst später.
Paula brauchte nicht lange, um sich fertig zu machen, und wartete vor dem Bad auf Chris. Sie wollte schon fragen, ob alles in Ordnung sei, aber da ging die Tür auf, und Chris stand fertig geschminkt vor ihr. »Gehen wir«, sagte sie.
47
Chris schlug vor, ein Taxi zu nehmen, aber Paula wollte unabhängig sein. Bei so großen Partys konnte es schwierig werden, nachts ein Taxi zu bekommen.
Im Auto sah Paula, wie ihre Freundin mit den Ängsten umging, die sie hatte: Sie redete wie
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