Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
Vom Netzwerk:
sagte er, eigentlich nur zu sich selbst: »Ich werde meinen Schmerz nicht zeigen. Niemandem.« Er holte Luft, richtete sich auf und sagte laut: »Schmerz und Schrecken zeigen sich vielfältig. Durch großes Entsetzen können wir zur Katharsis gelangen.«
    »Sie finden Entsetzen belebend und reinigend?«
    »Es öffnet die Tür zur Wahrheit.«
    »Sie vergleichen Ihre tote Freundin mit einem Kunstwerk?«
    »Der Mensch ist ein Kunstwerk. Tot oder lebendig.«
    »Ihrer These nach könnte also ein Mord den Mörder reinigen?«
    Bevor er antworten konnte, meldete sich Marius. Er hatte Chris’ Wohnung aufgebrochen. Sie war nicht da. Das Bett war gemacht, keine Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Nichts Auffälliges. Das schwarze Wickelkleid war nicht zu finden. Nicht in den Schränken, nicht in der Wäsche, nirgendwo.
    Diese Nachricht erschreckte Paula. Das hieß, Chris war gar nicht nach Hause gekommen.
    Paula konnte ihre Wut nicht mehr beherrschen. »Wo haben Sie Frau Gregor hingebracht? Halten Sie sie als Geisel gefangen, damit wir Sie gehen lassen? Wo ist sie?«
    Heiliger schwieg mit undurchdringlicher Miene. Paula zwang sich zur Sachlichkeit und Distanz; die musste sie bewahren - auch in der größten Sorge um Chris.
    »Sie schildern mir jetzt, wie Sie den gestrigen Abend verbracht haben, und zwar jede Minute. Mit wem Sie wann irgendetwas zu tun hatten.«
    »Ich war gegen 21 Uhr in der Suite. Dort erhielt ich einen Anruf von einem Sammler aus New York. Mit dem habe ich etwa eine halbe Stunde gesprochen. Das lässt sich bestimmt nachprüfen. Dann habe ich meine Rede auf der Treppe gehalten.« Er grinste. »Das können Sie ja bezeugen. Anschließend bin ich wieder in die Suite gegangen und hatte Besuch von Donna Valencia, der Modemacherin aus Mailand. Sie will eine Installation von mir kaufen. Gegen 22.30 Uhr ist sie gegangen. Dann habe ich Besuch von Bach gehabt -«
    »Professor Bach?«
    »Ja, Ihrem Berater. Er hatte mich nach meiner Rede angesprochen und wollte mir Hinweise zu den Mordfällen geben. Das hat mich natürlich interessiert. Dann war er kurz da, hat mir aber leider nichts erzählt, was ich nicht schon wusste.«
    »Sie haben ihn eingeladen in Ihre Suite? Obwohl Sie neulich diesen Auftritt mit ihm in der Tapas-Bar hatten?«
    »Wenn mir jemand Informationen geben will, die mich interessieren, dann ist es mir egal, von wem sie kommen. Man muss schon Beamtin sein, um sich die Rolle der beleidigten Leberwurst leisten zu können.«
    »Mich würde interessieren, warum Sie alles tun, um verdächtig zu werden.«
    »Auch falsch. Ich tue nicht alles, um verdächtig zu werden. Doch ich vergeude meine Energie nie mit angestrengtem Widerlegen falscher Bezichtigungen. Das ist ein Unterschied.«
    »Professor Bach kann nicht bei Ihnen in der Suite gewesen sein. Sie haben das Pech, dass Bach ein Alibi hat. Mich. Ich hatte auf der Party ein längeres Gespräch mit ihm. Nach Ihrer Rede auf der Treppe.«
    Heiliger zuckte mit den Achseln.
    »Also spielen wir das durch. Wie und wann ist er in Ihre Suite gekommen?«
    »Ich hab ihn in der Tiefgarage mit dem Fahrstuhl abgeholt. Er ist aus dem Felix rübergekommen. So gegen elf? Ich weiß es nicht mehr genau.«
    »Und dann?«
    »Es war uninteressant, was er mir erzählt hat.«
    »Ich meine, wie ist er wieder rausgekommen?«
    »Er ist mit dem Fahrstuhl runtergefahren.«
    »In die Tiefgarage?«
    »Das nehme ich an. Er hätte aber auch in der Lobby aussteigen können.«
    »Was haben Sie dann gemacht?«
    »Ich war hundemüde. Eigentlich wollte ich noch ein paar Skizzen machen, aber ich habe gleich geschlafen.«
    »Sie behaupten, Sie hätten Frau Gregor weder gesehen noch gesprochen?«
    »Ich wusste gar nicht, dass sie auf der Party war.«
    »Haben Sie ihr den Code für den Fahrstuhl genannt?«
    »Nein.«
    Sie ließ ihn abführen.
    Vorher bestand er noch darauf, mit seinen Anwälten zu telefonieren. Er schien zu begreifen, dass er in Bedrängnis war.

53
    Das gleichmäßige Rattern des Zuges warberuhigend. Das Abteil war fast leer. Chris schaute aus dem Fenster, nahm aber die Häuser draußen nicht wahr.
    Sie ließ die letzten Stunden noch einmal Revue passieren. Sie hatte eine schreckliche Nacht gehabt. Etwas war ihr den Hals heruntergekrochen, und sie hatte sich dagegen wehren wollte. Sie hatte sich davor geekelt, aber keine Kraft gehabt und wieder das Bewusstsein verloren. Als wieder aus dem Dunkel der Albträume bizarre Gestalten auftauchten, war etwas auf ihren rechten Handrücken

Weitere Kostenlose Bücher