Im Herzen Rein
gesprochen, mit Chris oder ihrer Schwester, um zu erzählen, was passiert war. Aber die Erklärungen hätten ihre ganze Energie verbraucht. Außerdem war es zu früh, jemanden anzurufen.
Sie beschloss, ins Büro zu fahren, um die bisherigen Ergebnisse noch einmal durchzugehen. Die Situation war zwiespältig - Beweise gab es ausschließlich gegen Mendel. Doch nicht er, sondern Heiliger passte in das Bild. Aber der war entlassen worden, und stattdessen würden sie nun Ralf vernehmen. Theoretisch hatte er ein Mordmotiv, denn vermutlich hatte er gewusst, dass Antonia von ihm schwanger war, und vielleicht hatte sie das Kind gegen seinen Willen zur Welt bringen wollen. Zwar war es absurd - Ralf ein Mörder -, doch das war die Situation, in die er sich selbst gebracht hatte.
Der Tee beruhigte sie. Sie musste aus dieser Situation herausfinden. Ihr Leben war gerade zusammengebrochen, aber Chris war in Lebensgefahr. Dagegen war ihr eigener Schmerz nichts. Sie überlegte, Chris zur Fahndung auszuschreiben, aber dazu müsste sie aufdecken, dass die Staatsanwältin von dem Mörder bedroht wurde. Dazu konnte sich Paula nicht entschließen. Vielleicht ist das ein Fehler, dachte sie und versuchte dann, sich auf den bevorstehenden Tag zu konzentrieren.
Sie hatte Marius gestern noch gebeten, alle zur Teambesprechung um acht zu bestellen. Sicherlich hatte er ihnen auch gleich die schlechte Nachricht überbracht, dass Heiligers Haftbefehl aufgehoben worden war und er sich auf freiem Fuß befand. Sie ahnte, dass die Medien ab halb neun mit ihrer Belagerung beginnen würden, um ihren Kommentar zu der Entlassung aufzunehmen. Deswegen hatte sie den Arbeitsbeginn vorverlegt.
Als sie ins Büro kam, waren Ulla und Bach schon da. Ulla hantierte an der Kaffeemaschine und regte sich darüber auf, dass der Richter Heiligers Haftbefehl aufgehoben hatte. Sie wusste, dass ein Entlassungsbeschluss die mühselige Polizeiarbeit zunichte machen konnte.
»Ich habe Pfefferminztee für Sie besorgt, Professor Bach. Möchten Sie einen?«, fragte Ulla.
Auf dem Tisch vor Bach lagen drei Bücher und eine Akte. Er saß darübergebeugt und machte in einem Heft Notizen.
Paula begrüßte ihn. Er war frisch rasiert und duftete nach Eau de Cologne.
»Guten Morgen, Frau Zeisberg. - Pfefferminztee immer. Vielen Dank, Frau Ulla.«
Paula erinnerte sich, wie sie Bach das erste Mal wahrgenommen hatte. Sie hatte ihn nicht ausstehen können, er war ihr affektiert und eingebildet vorgekommen. Sie hatte ihn für den Typen gehalten, der sich ein Fach ausgesucht hatte, in dem keine eindeutigen Prognosen zu machen waren, und der genau das nutzte, um sich mit überraschenden Behauptungen aufzuspielen. Inzwischen wusste sie, dass sie sich geirrt hatte. Denn seine Thesen hatten sich als Erkenntnisse entpuppt. Ohne ihn würden sie jetzt vielleicht mit leeren Händen dastehen. Aus einem aufgeblasenen Wichtigtuer war ein zuverlässiger Mitarbeiter geworden, und in dem Maße, wie er Teil des ermittelnden Teams geworden war, hatte er Paulas Achtung gewonnen. Auf Heiligers Party war sie ihm dann zum ersten Mal privat begegnet und hatte ihn sogar sympathisch gefunden. Dabei war ihr zum ersten Mal aufgefallen, dass er auch nicht unattraktiv war.
Sie schaute zur Uhr, es war genau acht. Sie wusste, wie wenig Zeit Bach hatte. »Es tut mir leid, es sollten eigentlich schon alle da sein.«
Er lächelte. »Lassen Sie sich ruhig Zeit, ich bin versorgt.« Er deutete auf die dicke Akte vor sich.
»Unser Fall?«
Er sagte schelmisch: »Frau Zeisberg, welcher sonst?«
»Okay, Herr Professor. Ich brauche noch einen Widerhaken, sonst geht mir Heiliger von der Angel.«
Inzwischen waren alle eingetroffen, aber sie nickte ihnen nur zu, ohne sich zu unterbrechen. Sollten sie sehen, wie sie hinterherkamen. »Ich brauche etwas, um ihn zu einem Geständnis zu kriegen.«
»Zu Befehl, Misses Holmes«, schäkerte er.
Man konnte mit ihm sogar flirten. »Versprochen?«
»Versprochen«, wiederholte er ernst.
Sie wandte sich den anderen zu: »Wir haben zwei Probleme. Das eine kennt ihr bereits - wir mussten Heiliger laufen lassen. Und das andere: Die ermittelnde Staatsanwältin Chris Gregor ist verschwunden. Sie wurde das letzte Mal vorgestern Nacht im Hotel Adlon gesehen. Wie uns bekannt ist, hatte der Täter ein Internetfoto benutzt, auf dem sie als Siegerin eines Tennisturniers zu sehen war. Er hat ihren Kopf auf den Körper von Silvia Arndt montiert und das Foto der Barbiepuppe im Medaillon
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