Im Herzen Rein
macht Installationen. In der Fasanenstraße stellt er den Untergang der zwei Liebenden aus . Zwei Umarmende, die in einem großen Becken vom Wasser überspült werden.«
Sie reichte Ralf das Tablett mit den Vorspeisen und bat ihn, es auf den Balkon zu bringen. »Möchtest du Bier oder Rotwein?«
»Lieber Rotwein.«
Sie goss für beide ein. Ralf drehte den Grill auf die höchste Stufe und legte das Fleisch darauf. »Und? Ist er bei ihr gelandet?«
Sie setzten sich.
»Das kann man so nicht sagen.« Sie hob das Glas, um zu trinken. »Er beschäftigt sie.«
»Kann ich mir vorstellen.« Er probierte von allem. »Super, die Vorspeisen.«
Sie wartete, ob er noch etwas über diesen Heiliger sagen würde. Er konzentrierte sich aber auf das Grillen, und als er das erste Stück Fleisch kostete, schmunzelte er. »Du hast gut gekocht.«
»Gut eingekauft«, lachte sie. »Die richtigen Zutaten sind entscheidend - das sagt jeder Sterne-Koch.«
Er prostete ihr zu. »Hast du ein schlechtes Gewissen?«
»Ich habe Lust, dich zu verwöhnen.« Sie ging in die Küche, um die Salatschüssel zu holen, in die sie noch die Radieschen- und Apfel-Stückchen geworfen hatte. Den Rucola brachte sie eingehüllt im Geschirrtuch mit.
»Heiliger ist vor allem ein Marketingstratege«, sagte er.
»Du meinst, er ist erfolgreich im Verkaufen?«
»Heiliger und Erfolg sind Synonyme. Ihn interessiert nichts anderes. Er ist ein Macher, und seine ganze Kunst liegt in der Provokation. Er spielt auf der Klaviatur der Medien, als hätte er das von Kindheit an geübt.«
»Klingt ein bisschen neidisch.« Sie beugte sich über die Balkonbrüstung, sagte: »Vorsicht«, und schleuderte das zusammengefaltete Geschirrtuch mit den nassen Salatblättern ein paarmal im Kreis. Ein paar Tropfen spritzten Ralf ins Gesicht.
»Hej!«, rief er.
»Ich hab doch gesagt: Vorsicht«, lachte sie.
»Er macht Provokationskunst. So nennt er das.« Ralf wendete das Fleisch noch einmal, bevor er ein Stück auf Paulas Teller legte. »Er will aufrütteln und verstören. Er hat mir erklärt, du musst überhaupt erst mal erreichen, dass deine Sachen wahrgenommen werden.« Ralf drehte den Grill auf die kleinste Stufe. »Ich habe ihn gefragt, wie ich das machen soll. Ich kann doch nur malen und es jemandem zeigen, wenn er es sehen will.«
Paula hob den Rucola vorsichtig mit zwei Salatlöffeln unter die Soße.
»Er hält mich für’n Frosch. Frosch, hat er gesagt! Du machst kleine Hüpfer, das sind deine Farbtupfer. Ich hab ihn gefragt, was er damit meint. Er sagte: Ein Frosch ist kein Tiger. Die Leute schauen auf den Tiger und wünschen sich Tiger-Fantasien. Du musst sie in Schrecken versetzen. Am besten mit der Maske des Todes.« Er probierte den Salat. »Lecker.«
»Hast du Zeitung gelesen oder ferngesehen?«
»Klar. Ich wollte doch wissen, weshalb du abgereist bist.«
»Und hast du Fotos gesehen?«
»Natürlich. Die Frau im blauen Kleid auf der Parkbank, die Tauben füttert.«
»Hat das Ähnlichkeit mit einer Installation im Sinne Heiligers?«
»Durchaus. Ich habe ein Foto von seinem Auftritt am Tatort gesehen. Sicher wollte er die Inszenierung für sich nutzen.«
»Du meinst, deswegen ist er über die Absperrung gesprungen?«
»Halte ich für möglich.«
»Meinst du, er wäre auch imstande, für seinen Ruhm noch weiter zu gehen?«
»Du meinst, jemanden umzubringen?« Ralf nahm noch ein Stück Fleisch. »Heiliger verachtet Grenzen. Aber ich traue niemandem zu, ein Mörder zu sein.«
Paula hatte genau zugehört. Dieser Heiliger war sicher ein extremer Typ, aber er schien ihr nicht der Täter zu sein. Der Mörder, der Silvia Arndt umgebracht und so drapiert auf die Bank gesetzt hatte, war ein Wahnsinniger. Bachs Ansicht über die Ähnlichkeit mit einer Kunstinstallation konnte sie nicht überzeugen. Auch nicht nach dem, was Ralf gesagt hatte.
Ralf erzählte aus der Geschichte der Installationskunst. Er kam richtig in Schwung, und sie freute sich. Nach der Mousse au Chocolat mit Vanilleeis und verschiedenen Früchtesoßen holte er einen Fotoband, um ihr klassische Installationen zu zeigen, angefangen bei dem berühmten Pissoir, weiter über Menschen-Imitationen aus Plastik bis hin zum verpackten Reichstag. Paula sperrte sich gegen die Bach’sche These, fragte sich nun aber doch, wie weit man wohl noch davon entfernt war, dass in einem Kunstband die tote Silvia Arndt auf der Parkbank präsentiert auftauchen würde.
Als Paula in die Küche ging, um Streichhölzer
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