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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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konnte sie keinem anderen Menschen übertragen.
    »Das kann niemand«, sagte sie laut und ließ warmes Wasser nachlaufen. »Niemand kann die Verantwortung für sein Leben abgeben.«
    Im Badewasser fühlte sie sich jetzt entspannter. Sie erinnerte sich, wie sie sich von Heiliger verabschiedet, sich durch die Menschen hinausgedrängt und über Handy ein Taxi gerufen hatte. Es war keines gekommen, so war sie zu Fuß Richtung Filmpalast gegangen, und jetzt in der Erinnerung fiel es ihr auf: Ihr war ein Auto gefolgt. Das Bild kam ihr deutlich ins Bewusstsein. Sie hatte den Wagen gesehen, während sie nach ihrem Taxi Ausschau hielt. Es war eine schwarze Limousine mit verspiegelten Scheiben gewesen. Fenster, durch die man nicht hineinsehen, aber von innen beobachtet werden konnte. Dadurch war ihr der Wagen aufgefallen, denn solche Fenster machten sie aggressiv. Der Wagen hatte etwa hundert Meter von der Galerie entfernt geparkt. Sie hatte nicht gesehen, dass jemand eingestiegen war. Jetzt dachte sie, diese hundert Meter hätte Heiliger problemlos von ihr unbemerkt zurückgelegt haben können.
    Sie hatte es schon deswegen nicht bemerkt, weil ein Taxi kam, das sie für ihres hielt. Natürlich hatte sie gewinkt, aber es saß schon jemand drin. Ärgerlich hatte sie dem Wagen nachgeschaut und dabei gesehen, wie die schwarze Limousine aus der Parkspur ausscherte. Sie hatte nicht weiter darauf geachtet, sondern war Richtung Filmpalast gegangen.
    Als sie dann den Ku’damm überquerte, dachte sie an das Liebespaar und daran, wie es vom Wasser überspült worden war.
    Die Installation hatte sie beeindruckt. Sie wusste aus ihrem Studium, dass es eine der mittelalterlichen Torturen war, mit denen die Kirche voreheliche Liebe bestraft hatte. Sie erinnerte sich an einen Kupferstich über einen Vorfall in der Bretagne. Das Liebespaar war entdeckt worden, weil die junge Frau schwanger war. »Was zusammen will, wird von der Kirche zusammengeführt«, waren die Worte des Predigers, als die Gemeinde das Bett auf der Sandbank aufstellte und die Kirchendiener die Liebenden anketteten. Der Kupferstich zeigte, wie die Menschen aus dem Dorf am Strand standen und zusahen, wie die Flut langsam stieg, um die Unglückseligen zu ertränken. So hatte Heiliger es in seiner Installation nachgebildet.
    Dass sie dann ins Kino gegangen war, war zwar Zufall gewesen, doch es war womöglich kein Zufall, dass die Mercedes-Limousine mit den dunklen Scheiben gerade in dem Moment wieder auftauchte, als sie die Fahrbahn zum Kino überquerte. Jetzt erst wurde ihr klar, dass es Heiliger gewesen sein konnte, der ihr gefolgt war und dann vom Wagen aus natürlich sehen konnte, dass sie in die Kinopassage ging.
    Von dieser Geschichte hatte sie Paula nichts erzählt, sie fiel ihr erst jetzt ein. Aber sollte sie ihr überhaupt davon erzählen? Sie hatte sich das Kfz-Kennzeichen nicht gemerkt und wusste nicht einmal, ob der Wagen ihr wirklich gefolgt war. Paula würde dem vermutlich genauso wenig Bedeutung beimessen wie der Tatsache, dass der Killer sie im Kino imitiert hatte. Sonst hätte sie sie nicht so angeschaut, als würde mit ihr etwas nicht stimmen, und hätte nicht begonnen, unvermittelt von ihren Eltern zu reden. Oder hatte sie sie nach den Eltern gefragt, um zu testen, ob sie die alltäglichsten Sachen überhaupt noch zusammenkriegte? Und wie würden die Kollegen reagieren, wenn sie erführen, dass sich die neue Staatsanwältin in ihrem ersten Fall von dem Täter attackiert fühlte?
    Da sie in den letzten Tagen nicht mehr an die Spree, sondern in die Kantine gegangen war, hörte sie die Sorgen der anderen bei der Essensausgabe oder am Nebentisch: ablaufende Fristen, Verfahrensvorschriften, abgelehnte Anträge. Keinen einzigen von ihnen berührten die Fälle, weder die Opfer noch die Täter. Im Gegenteil - sie brauchten sie. Ohne Mörder und Totschläger wären sie arbeitslos. Die Täter waren keine Gefahr für sie, die waren nur Stichwortgeber in einem Spiel, in dem Richter und Staatsanwälte die Hauptrollen hatten. Es war ihr klar - von ihnen hätte sie nichts weiter als Unverständnis und Spott zu erwarten. Im schlimmsten Fall Suspendierung vom Dienst.
    Wie unmöglich war Paulas gestriger Vorschlag gewesen, zu ihr zu ziehen, bis sie den Täter geschnappt hätten. Ralf würde dann aufpassen! Das würde sie mehr als lächerlich machen. Nein, sie musste da durch. Schon früher hatte sie sich bei Problemen immer gesagt, du musst da durch, es gibt Schlimmeres.
    Aber

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