Im Himmel ist die Hölle los
haben – bis vor ganz kurzem, um genau zu sein; exakt bis vor ein paar Sekunden, als das Leben plötzlich zu dem Schluß gekommen war, er sähe in nur zwei Dimensionen besser aus –, und zudem gesellte sich die unbedeutende Tatsache hinzu, daß seine Selbstachtung hier ebenfalls auf dem Spiel stand. Mit einer Kraftanstrengung, die ein reiner Wissenschaftler als physikalisch unmöglich abgetan hätte, zog er das Messer aus der Tasche, klappte gleich beim ersten Versuch die große Klinge auf und ließ den Rest von dem Druck erledigen. Der trieb das Messer in die Wand, die daraufhin zerplatzte.
Dann war eine lange, geräuschvolle und äußerst vulgäre Lautfolge zu hören, der ein dumpfer Schlag folgte, als Björn von der Wand herab auf den Kopf fiel.
»Ist alles in Ordnung«, keuchte er ein paar Augenblicke später. »Ich habe sie jetzt ausgeschaltet.«
»Wurde auch Zeit«, lautete die Antwort, die aus großer Entfernung kam. »Könnten Sie mich jetzt bitte aus diesem Kamin herausholen?«
Das erwies sich als die bislang schwierigste Aufgabe; und Björn war bereits an dem Punkt angelangt, alles hinzuschmeißen und sich auf Zehenspitzen leise davonzuschleichen, als er entdeckte, daß die Maschine einen Schalthebel besaß. Und dieser Schalthebel ließ sich in zwei Positionen bringen; die eine wurde als vorwärts, die andere als rückwärts bezeichnet.
»Wenn Sie jetzt vielleicht soweit wären, dann könnten wir uns wieder daran machen, nach der Tür zu suchen«, grummelte Jane, während sie aus dem Kamin kroch.
Björn nickte. Vor seinen Augen befanden sich kleine leuchtende Punkte und Blitze, und ansonsten fühlte er sich etwa so, wie man es bei einem Baum vermuten würde, den gerade jemand zu einer Zeitung verarbeitet hatte. »Die Tür?« flüsterte er. »Ach so, ja klar. Ähm, wissen Sie, ich fürchte, es gibt gar keine.«
Jane holte tief Luft. »Wollen Sie damit sagen, daß wir durch die Wand hereingekommen sind? Oder hat jemand das Universum gewaschen, und es ist dabei versehentlich eingelaufen?«
Björn nickte. »Ich glaube, ich kenne diesen Raum«, stellte er unbeirrt fest. »In dieser Abteilung habe ich früher mal gearbeitet. Das hier ist ein Raum, für den man keine Tür braucht.«
Die herablassende Bemerkung, die Jane bereits auf der Zunge lag, blieb ihr im Hals stecken, und es kam ihr lediglich ein staunendes »Ehrlich?« über die Lippen.
»Ja, eine Tür ist hier vollkommen unnötig«, bekräftigte Björn. »Das liegt daran, daß sich dieser Raum hauptsächlich, na ja, in Ihrem Kopf befindet. Wir sind in der Abteilung für Gerechtigkeit.«
»Gerechtigkeit?« Jane blinzelte zweimal. »Hören Sie, dort, wo ich herkomme, gibt es etwas, das man ›Logik‹ nennt und …«
»Ich weiß«, unterbrach er Jane. »Und die Gerechtigkeit, also, die funktioniert, indem sie einfach das darstellt, was Ihrer Meinung nach eigentlich mit Ihnen passieren sollte. Sie wissen schon, Gewissen und so was alles. Darum braucht man Sie gar nicht erst hierherzubringen, denn Sie sind schon von Anfang an da. Das denken die sich jedenfalls so«, fügte er hinzu. »Ich habe nämlich nie geglaubt, über so viel Phantasie zu verfügen.«
Jane nickte. »Ich auch nicht«, pflichtete sie ihm bei. »Trotzdem glaube ich, daß ich absichtlich hierhergebracht worden bin. Wenn das hier mein Gewissen sein soll, hätte ich es nämlich wahrscheinlich längst erkannt, weil es hier dann von dreckigem Geschirr und schmutzigen Küchenfußböden nur so wimmeln müßte.«
Björn zog erstaunt die Brauen hoch. »Ihre Wohnung muß aber ganz schön groß sein, wenn Sie gleich mehrere Küchenfußböden …«
»Ach, das erkläre ich Ihnen später«, unterbrach ihn Jane. »Ich glaube, ich weiß jetzt die Antwort darauf, wo wir sind.«
… die Antwort war ganz einfach, allerdings nicht besonders erfreulich.
Wohin steckt man unbequeme Leute, damit sie niemals von jemandem gefunden werden können? Natürlich in den eigenen Kopf.
Und angenommen, man darf das eigentlich nicht tun – dann hätte man Schuldgefühle, stimmt’s? Oder zumindest wäre man äußerst besorgt, erwischt zu werden. Folglich steckt man diese Leute in sein Gewissen. Wahrscheinlich passiert das, ohne daß man eine bewußte Entscheidung getroffen hat, aber das Gewissen ist ein hervorragend geeigneter Ort, weil es – schon von der Natur der Sache her – einen Teil des Gehirns darstellt, der von den übrigen stets abgeschottet gehalten wird.
»Also, wo sind wir Ihrer Meinung
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