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Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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wischte sich Ziegelstaub aus dem, was wir der Bequemlichkeit halber als Augen bezeichnen wollen, sah mit trübem Blick nach oben und mußte feststellen, daß sich ihm ein ausgesprochen unfreundlicher Anblick bot. Zwar war es nicht so schlimm wie ein Blick in den Spiegel, aber viel besser auch nicht.
    »Los, steh auf!« kommandierte Björn. »Mach schon, ich habe nicht den ganzen Tag lang Zeit!«
    Augenschein blinzelte. »Wie bitte?« fragte er.
    »Los, nun komm schon hoch«, antwortete Björn. »Du sollst aufstehen, oder du kriegst von mir einen Tritt in den …« Er brach mitten im Satz ab und runzelte die Stirn. »Na ja, sieht nicht so aus, als ob du einen hättest, aber wir sind jederzeit in der Lage zu improvisieren.«
    Augenschein sprang wie ein geölter Blitz auf. »Nein, nein, ich möchte wirklich nicht, daß Sie sich meinetwegen irgendwelche Umstände machen«, redete er beruhigend auf Björn ein. »Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?«
    »Ja. Wo ist hier der Ausgang?«
    »Ah ja.« Augenschein duckte sich ein wenig und wich zurück. Er hatte sich schon immer gefragt, was es wohl für ein Gefühl sein müßte, richtige Angst zu haben; also, viel verpaßt hatte er da nicht. »Die Beantwortung Ihrer Frage ist gar nicht so einfach, weil es hier keinen Ausgang gibt. Zumindest nicht in dieser Dimension. Ich meine, jedenfalls keinen richtigen, sozusagen«, fügte er hinzu.
    »Ach, jetzt mach schon, oder ich trete dir …«
    »Hier entlang.«
    In diesem Moment wachte Jane auf. Seltsamerweise war sie erst von einer Sternschnuppe getroffen worden und einen Sekundenbruchteil später von einem handgroßen Brocken Mörtel. Sie stöhnte.
    Für einen recht komplizierten Traum reichen dreißig Sekunden allemal aus, und Jane hatte geträumt, sie läge an eine Eisenbahnschwelle gefesselt in den Kellergewölben eines nur verschwommen erkennbaren, aber dennoch unheimlichen Gebäudes, während sich ein Ungeheuer – dem es irgendwie gelungen war, wie aus einem ihrer schlimmsten Alpträume auszusehen – hinter einem Gebilde versteckte, das einer gigantischen Dampfmaschine ähnelte, und ihr verkündete, daß von nun an alles auf der Welt ganz offiziell ihre Schuld sei. Das Problem mit Träumen, die man gewöhnlich im Kellergeschoß der Abteilung für Gerechtigkeit hat, liegt darin, daß sie keine Einbildung sind.
    »Oje«, seufzte sie und fügte laut und deutlich »So eine Scheiße!« hinzu.
    Der nun folgende Moment ist schwierig zu schildern, deshalb räumen wir zuerst einmal Augenschein aus dem Weg. Als sich Björn umsah, Jane erblickte und große Augen bekam, tauchte Augenschein hinter einem Stück Mauer unter, stahl sich auf Zehenspitzen davon und fand sich mitten auf einer grasbedeckten Wiese wieder. Nachdem ihm klargeworden war, daß er den falschen Weg eingeschlagen hatte, wollte er umkehren, mußte jedoch feststellen, daß sich die Öffnung, durch die er herausgekommen war, auf rätselhafte Weise in Luft aufgelöst und einem leicht asymmetrischen Baum Platz gemacht hatte. Den Rest der Nacht streifte er mutlos umher, wobei er spiegelblanke Oberflächen und stehende Gewässer mied, bis er schließlich im Morgengrauen einer bildhübschen jungen Schäferin begegnete, die ihn gleich mit nach Hause nahm, um ihn ihrer Familie vorzustellen. Drei Wochen später waren die beiden verheiratet, und heute verbringt Augenschein seine Zeit damit, abzuwaschen, mit einem bösartigen kleinen Hund Gassi zu gehen und die Fensterrahmen im Gästezimmer zu streichen. Da er lediglich Ilonas Mann ist, nimmt auch niemand mehr sein Aussehen wahr.
    »Wer sind Sie?« fragte Björn.
    »Königin Viktoria«, antwortete Jane. »Hören Sie, könnten Sie mich bitte von diesem Baumstamm befreien?«
    Björn fühlte sich betrogen. Einen guten Eindruck hatte er machen wollen. Er hatte vorgehabt, lässig zu Jane hinüberzuschlendern und zu fragen: »Hey, Lady, werden Sie von dieser Eisenbahnschwelle belästigt?« Danach wollte er die Stricke mit einem sauberen Schnitt seines sambischen Armeemessers durchtrennen, doch die große Klinge war verklemmt, und das Zubehörteil, um Steine aus den Hufen von Impalas zu entfernen, war so stumpf wie ein Sessel. Zu guter Letzt glückte es ihm, den Strick mit dem Dosenöffner durchzusägen, aber erst nachdem er Jane auf den Fuß getreten und sich den Finger am Befestigungsring der Messerkordel fast bis zum Knochen aufgeschnitten hatte.
    »So, das hätten wir«, stellte er schließlich zufrieden fest. »Kein

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