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Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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sie eilig. »Ja, da ist durchaus etwas dran. Sehr rücksichtsvoll von Ihnen. Ich glaube, ich sollte am besten …«
    Mitten im Satz brach er ab, da eine Mauer auf ihn niederstürzte.
     
    Die Art und Weise, wie Björn sich dem Problem näherte, vor dem er stand, war folgende:
    So etwas wie eine Idylle gibt es nicht, sagte er sich. Das wahre Leben ist elend, scheußlich und langweilig und besteht nur daraus, arbeiten zu gehen, sich rasieren zu müssen und sich nachts von der Nachbarskatze die vor die Tür gestellten Müllbeutel aufreißen zu lassen. Selbst in einem unendlichen Universum gibt es keinen Ort, an dem man eine Plastikgabel bekommt, die nicht bricht.
    Folglich ist die Idylle, in der ich mich wiedergefunden habe, künstlich, und irgendwer hat mich hierher verfrachtet, um mich daran zu hindern, weiter im Universum herumzustreifen. Wirklich raffiniert; willst du, daß jemand hinter Schloß und Riegel bleibt, dann steck ihn in ein Gefängnis, aus dem er gar nicht ausbrechen will. Oder zumindest in eins; das er erst als Gefängnis erkennt, wenn es schon zu spät ist.
    Er dachte an Ilonas Vater, der den Ochsenkarren wäscht, im Flur nicht auf- und abgehen darf und sich in den Geräteschuppen verziehen muß, um seine Pfeife zu rauchen, und fragte sich, was der alte Mistkerl angestellt haben mußte, daß er die Obrigkeit derart gegen sich aufgebracht hatte. Wahrscheinlich etwas Schreckliches.
    Nachdem Björn zu diesem Schluß gekommen war, konzentrierte er sich darauf, die Flucht zu planen.
    Diese Idylle ist künstlich, richtig? folgerte er.
    Das bedeutet, jemand hat sie geschaffen. Sie gehört zu den künstlichen Gegenständen.
    Gegenstände zerbrechen, wenn man auf sie einschlägt.
    Das Kunststück bestand darin, den richtigen Punkt zu finden. Zehn Jahre Holzhacken in der anderen verdammten Idylle hatten ihn gelehrt, daß es nichts nützt, durchzudrehen und mit der großen Axt wild um sich zu schlagen, denn das führt zu nichts anderem als zu zerbrochenen Axtstielen. Man muß die Naht finden, die fehlerhafte Stelle, den Sprung, den Riß, die Lage der Narbe, dann kommt man da hindurch wie Eiscreme durch den Boden der Waffel an einem sonnigen Tag.
    Nach einhundertsiebzig Jahren als Mitarbeiter der Bauabteilung wußte er, wie er Himmel und Horizont abzusuchen hatte, um die Verbindungsstelle aufzuspüren.
    Auf dem Heuboden hinter der Schmiede versteckt, wartete er den Einbruch der Dunkelheit ab. Kurz nach Mitternacht öffnete er die Dachluke und blickte nach oben. Es war eine klare Nacht, und die Sterne funkelten wie Bergkristalle an einem schwarzsamtenen Himmel. Gut. Das machte es ihm leicht.
    Letzten Endes ist der Himmel mit seinen Millionen glitzernden Lichtpunkten nichts weiter als eine Tapete, die dort hingeklebt worden ist, um die Risse am Firmament zu verdecken, die durch die Verwendung billigen und in großen Mengen gekauften Putzes entstanden sind. Wie bei allen gemusterten Tapeten ist es eine Heidenarbeit, die Ränder passend nebeneinander zu bekommen. Wenn man lange genug hinsieht und weiß, wonach man sucht, dann wird man früher oder später die Stelle finden, an der der Tapezierer gepfuscht hat; nämlich dort, wo das Sternbild, dessen wahrer Name ›Zahnbürste des Adonis‹ lautet – durch eine millimeterdicke gedachte Linie getrennt –, doppelt vorhanden ist und wo sich das Universum über einer nicht glattgestrichenen Luftblase wölbt. Dieser gedachten Linie folge man bis zum Boden, und man wird auf einen Baum stoßen, dessen Astwerk auf der einen Seite ein kleines bißchen höher ist als auf der anderen. Das ist die Nahtstelle. Björn war das bekannt, weil auch er seine Lehrzeit mit einem Eimer Kleister und einer langen Bürste hoch oben auf einer Trittleiter abgeleistet hatte. Er wußte sogar, was sich unter den Sternen befand …
    (… eine ziemlich geschmacklose rote Stofftapete, die stark abgenutzt war und stellenweise Schimmel, ein paar herausgezogene Fäden und hier und da Nikotinflecken aufwies. Viele Menschen haben sich gefragt, was dort vor dem Urknall gewesen war; nun, genau dort, wo heute Norden ist, hing früher mal die Dartscheibe.)
    Hat man es nicht eilig, kann man die Tapete einfach an einer Ecke abziehen, hindurchschlüpfen und hinter sich wieder zuklappen. Wenn es einem jedoch nichts ausmacht, schichtet man kurzerhand rings um die Wurzeln des Baums Dynamit auf, entfernt sich und zündet sich eine Zigarette an, deren Stummel man anschließend achtlos wegwirft.
     
    Augenschein

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