Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
zu überhören, und antwortete deshalb: »Eigentlich habe ich das nicht vor. Im Grunde ist es hier oben fast genauso wie da unten, finde ich. Wären Sie mal so lieb, diese Akte hier für mich wieder aufs oberste Bord zu stellen? Ich komme da nicht so ganz ran.«
    Der Mann blickte sie zwar finster an, kam dann aber ihrem Wunsch nach. »Bisher ist das ein seltsamer Tag gewesen«, quetschte er unter großer Anstrengung hervor, während er sich laut ächzend reckte. »Ich habe verschlafen, bin zu spät hierhergekommen, mußte feststellen, daß jemand meinen Handwagen weggerollt hatte, habe die Sandwiches vergessen, bin auf dem spiegelglatt gebohnerten Fußboden ausgerutscht und habe mir die Knie grün und blau geschlagen, und jetzt bin ich auch noch von einer Sterblichen in die Regale gestoßen und mit den Füßen getreten worden, und dabei ist es erst halb elf.«
    Jane gestattete sich ein Lächeln. »Das ist hier oben wohl ungewöhnlich, wie? Dort, wo ich herkomme, klingt so was nach einem ganz normalen Tag.«
    Der Mann zog einen Mundwinkel nach oben. Wenn Hyänen Hunde sind, handelte es sich um ein Lächeln. »Das habe ich mir schon gedacht«, entgegnete er. »Mir ist sogar zu Ohren gekommen, daß ihr Menschen ein ganz besonderes Wort dafür habt. Leben oder so was Ähnliches.«
    »Kaum zu glauben, daß Sie das wissen«, erwiderte Jane. »Trotzdem nichts für ungut.«
    Um Viertel nach elf gab es eine Kaffeepause. Wie Jane voller Ekel feststellen mußte, schmeckte der Abteilungskaffee ziemlich genau wie der, den sie von zu Hause gewohnt war, nur daß dieser mit noch mehr Kaffeezusatzmittel Zichorie gestreckt worden war. Der Rücken tat ihr weh, und im Kopf kribbelte es vor lauter Betätigungsdrang. Zum erstenmal fragte sie sich, ob das Dateneingeben bei Burridge’s wirklich so furchtbar gewesen war, wie sie es immer empfunden hatte.
    »Du meine Güte!« rief der Mann, der wie aus dem Nichts hinter ihrer Schulter auftauchte, als sie gerade den Kaffee bis auf den Satz austrank. »Sie haben heute ja schon unglaublich viele Ordner weggeschafft.«
    Unwillkürlich freute sich Jane. Am liebsten hätte sie ›Natürlich habe ich das; schließlich bin ich sterblich‹ oder etwas ähnlich Aufrührerisches gesagt, doch das verkniff sie sich vernünftigerweise. Statt dessen gab sie ein paar unbestimmte und leise Dankeslaute von sich.
    »Ist mir ein Rätsel, wie Sie das so schnell schaffen können«, fuhr der Mann fort, »die Ordner zu sortieren, sie ins Regal zu stellen und die Nummern in das Verzeichnis einzutragen.«
    In Janes Innern zerbrach etwas Kleines, aber nicht ganz Unbedeutendes. »Welches Verzeichnis?« hakte sie vorsichtig nach.
    Der Mann lächelte, und diesmal richtig. »Das Hauptablageverzeichnis«, klärte er Jane auf. »Hat man Ihnen denn nichts davon erzählt? Sie schreiben erst die Nummer des Ordners auf, dann in welchem Regal er steht und schließlich in welchem Abschnitt des Regals er zu finden ist und dergleichen. Sonst haben die Forscher nämlich nicht die leiseste Ahnung, wo …«
    »Danke«, unterbrach ihn Jane. »Ich verstehe. Davon hat zwar wirklich niemand etwas mit einer Silbe erwähnt, aber ich finde, darauf hätte ich selbst kommen müssen.« Mit einem lauten Klirren stellte sie die Tasse ab. »Ich glaube, ich mache mich jetzt lieber wieder an die Arbeit und hole das nach, oder was meinen Sie?«
    »Das wäre eine glänzende Idee«, stimmte ihr der Mann zu. »Ach, haben wir übrigens nicht etwas vergessen?«
    Jane blieb wie angewurzelt stehen und drehte sich langsam zu ihm um. »Ach, wirklich?« fragte sie. »Tut uns leid. Nicht, daß wir wüßten.«
    »Dreißig Zloty für den Kaffee«, erinnerte sie der Mann liebenswürdigerweise. »Das Geld werfen wir immer in die Dose auf dem Regal da. Das hilft, böses Blut und unnötige Wutausbrüche zu vermeiden«, fügte er grinsend hinzu.
    Jane seufzte. »Wie ärgerlich«, sagte sie. »Ich habe nämlich nur irdisches Geld dabei. Das wird man hier vermutlich nicht annehmen, oder?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht«, antwortete er. »Ich meine, gut, es ist der Wille, der zählt, aber davon allein kann man keine neue Kantinenpackung kaufen, wenn die alte leer ist. Erlauben Sie mir, Ihnen einfach dreißig Zloty zu leihen, bis Sie Ihr Gehalt bekommen haben«, fügte er mit grimmiger Miene hinzu.
    »Danke.«
    »Nicht der Rede wert.«
    Nachdem Jane das Geld unter den wachsamen Blicken des Mannes in die Dose geworfen hatte, entfernte er sich und

Weitere Kostenlose Bücher