Im Himmel ist die Hölle los
hatten. Heute ist das natürlich vollkommen anders, dank dieser kleinen Trickkiste hier.« Er gab dem Computer einen liebenswürdigen Klaps. »Selbstverständlich ist das erst die dritte Generation. Sobald wir die sechste Generation installiert und betriebsfähig gemacht haben, hoffen wir, in der Lage zu sein, unseren Service auf die gesamte sterbliche Bevölkerung auszudehnen.«
»Aha.«
»Und das Phantastische daran ist natürlich: Der Computer schläft nie«, fuhr der Direktor fort. »Das bedeutet, daß der kleine schwarze Kasten selbst jetzt, da die Abteilung über Nacht geschlossen ist und alle nach Hause gegangen sind, noch wach ist, hier mit einem Kabel zuckt und da einen Kunden zum Ehebruch verleitet, und zwar vierundzwanzig Stunden lang, rund um die Uhr. Das dürfte Ihnen auf jeden Fall eine ungefähre Vorstellung von der Arbeit vermitteln, die wir hier leisten«, sagte der Direktor, während er den Bildschirm ausschaltete und den Deckel des Pults wieder zuklappte. »Wir sind zwar nur eine kleine Abteilung, aber – wie ich glaube, behaupten zu können – eine glückliche.« Selbstversunken starrte er über Janes Kopf hinweg auf einen Punkt an der dunkel gewordenen Wand. »Ich sage immer«, fuhr er fort, »dies ist eine der wenigen Abteilungen in der gesamten Behörde, in der man auf ein Endergebnis zeigen, die Hand aufs Herz legen und mit Stolz sagen kann: ›Das habe ich vollbracht.‹ Nun, jedenfalls bin ich mir sicher, daß es Ihnen Spaß machen wird, hier zu arbeiten, oder was meinen Sie?«
»Ja, ich glaube fast, mir macht es jetzt schon Spaß«, antwortete Jane mit grimmiger Miene.
Der junge Dorfhahn erwachte, warf instinktiv einen kurzen Blick in den Himmel und mußte ein zweites Mal hinsehen. Komisch, sagte sein genetisches Gedächtnis zum motorischen Zentrum.
Die kleine Helga (die sich rasch in eine große Helga verwandelte, was die Dorfbewohner jedoch nicht zu bemerken vorgaben) gähnte, rieb sich die Augen und machte sich auf den Weg zum Milchvieh, um es wie jeden Morgen zu melken. Mit dem Eimer am Arm überquerte sie gerade den Hof, als sie wie angewurzelt stehenblieb und die Augen aufriß. Dann ließ sie den Eimer fallen und rannte zurück ins Haus.
»Hört mal alle her!« rief sie. »Nachbar Björn verläßt das Dorf!«
Zum erstenmal in der Familiengeschichte herrschte in der Küche vollkommene Stille. Nun ja, zumindest fast vollkommene Stille: Minuschka machte einen Schritt nach hinten und trat der Katze auf den Schwanz, was akustisch äußerst lautstarke Auswirkungen hatte, und obendrein ertönte ein geräuschvolles Klappern, als Großmutter den Löffel fallen ließ, mit dem sie gerade ihren Haferschleim schlürfte; aber wenigstens sagte niemand etwas.
Da die kleine Helga noch jung war, faßte sie diese Reaktion irrtümlicherweise so auf, als würden die anderen Zweifel hegen.
»Ehrlich«, versicherte sie. »Er ging den Pfad zur Hügelspitze hinauf und hatte die Axt auf der Schulter, an deren Stiel ein großes rotgepunktetes Taschentuch geknotet war, und über der anderen Schulter trug er einen gewaltigen Sack, und außerdem hatte er seine Hell’s-Angels-Weste an, die er nur trägt, wenn er in die Stadt geht, um sich alkoholische Getränke zu kaufen. Und der kleine braune Hund hat versucht, ihm zu folgen, aber Björn ist immer wieder stehengeblieben und hat mit Äpfeln nach ihm geworfen.«
Wieder herrschte Stille. Dann schüttelte Urgroßvater den Kopf.
»Das ist unmöglich«, widersprach er entschieden. »Dieses Dorf hat noch nie jemand verlassen. Von außerhalb kommen Leute her, ja, aber fort von hier gehen sie nie.«
»Weil es hier so idyllisch ist«, präzisierte Urgroßmutter mit einem mikroskopisch kleinen Rest von Wehmut in der Stimme. Vor zweiundsechzig Jahren hatte sie das Dorf zum erstenmal gesehen und es im selben Moment ins Herz geschlossen; allerdings hatte sie vorher in Chicago gewohnt, und manchmal mußte sie daran denken, daß man in Chicago zugegebenermaßen arm an Idyllen, aber ganz versessen auf sanitäre Anlagen und fließendes Wasser gewesen war. »Der ganze Sinn des ländlichen Idylls liegt doch darin zu bleiben.«
»Du meine Güte!« warf Großmutter ein. »Wenn er fortgeht, kann das nur bedeuten, er ist hier nicht glücklich gewesen. Ach, der arme Mann!«
»Wir müssen ihm raten hierzubleiben«, faßte Großvater in bestimmtem Ton zusammen, wobei er sich vom Tisch erhob und das Lätzchen abnahm. »Wir könnten es uns nie verzeihen, wenn wir ihn
Weitere Kostenlose Bücher