Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
aufgefallen, das etwas dunkler ist als das von Ben. Bestimmt hat sie mit Henna nachgeholfen. Es fällt auf jeden Fall in leichten Wellen über ihren schmalen Rücken. In ihrem hellgrünen Kleid wirkte sie fast wie eine Elfe. Sie sprühte geradezu vor Energie. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man fast annehmen, sie sei Bens Schwester.
»Wir könnten auch Emma mitnehmen und behaupten, du würdest dich ihretwegen für die Schule interessieren. Dann haben wir gleich eine Erklärung, falls uns jemand fragt, warum wir vor der Schule rumlungern. Was hältst du davon?«
»Marly, meine Tochter ist knapp vier Jahre alt.«
»Na und. Viele Mütter planen die Schulzeit ihrer Kinder schon weit im Voraus. Ich würde dir natürlich empfehlen, Emma auf einer normalen Schule anzumelden. Trotzdem kannst du dir doch eine Waldorfschule mal ansehen. Vielleicht gefällt es dir ja.«
»Ganz bestimmt nicht …«
»Bitte!«
»Na gut. Aber nur, weil du mir wirklich am Herzen liegst. Und jetzt lass uns den Kater fangen. Wo ist er denn, der gute Kerl?«
»Er sitzt wie immer im Apfelbaum. Vom Küchenfenster aus kannst du ihn sehen.«
»Ich weiß, von welchem Raum ich in deinen Garten schauen kann, Marly.«
»Ja, schon klar. Aber ich bin irgendwie total durcheinander und kann gar keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich mach noch schnell den PC aus, dann komme ich nach. Es dauert nicht lange …«
Nathalie Birnbaum mit ihrer Klasse auf dem Eurythmie-Festival … Noch einmal werfe ich einen Blick auf die aparte Person, die zwischen einem Dutzend Mädchen in rosa Tüllgewändern steht. Nathalie sieht offen gestanden sehr sympathisch aus. Die beiden hätten ein schönes Paar abgegeben. Es fällt mir überaus schwer, mir das einzugestehen, aber ich hätte nie im Leben eine Chance gegen sie gehabt. Ganz plötzlich macht sich Eifersucht in mir breit. Das Gefühl gefällt mir nicht. Lieber möchte ich mich darüber freuen, dass Ben in den letzten Tagen seines Lebens anscheinend sehr glücklich mit ihr war. Aber es gelingt mir nicht. Ein kleiner Stachel hat sich in meinem Herzen eingenistet. Und ich schaffe es nicht, ihn einfach herauszuziehen.
Aufgewühlt fahre ich den Computer herunter und gehe zurück in die Küche, wo meine Freundin vor dem Fenster steht und angestrengt nach draußen sieht.
»Ich sehe nix. Auf dem Baum sitzt kein Kater.«
»Hm, vorhin war er noch da.«
»Vielleicht ist er auf Beutezug, ein paar fette Mäuse fangen.«
»Caruso? Mäuse fangen? Nie im Leben! Dafür müsste er sich ja bewegen. Und wenn überhaupt, dann müssten sie für ihn filetiert, dezent gewürzt und auf den Punkt genau gebraten auf einem Teller angerichtet werden.«
»Gute Idee. Versuch ihn, mit etwas Essbarem zu locken. Wenn er sich sein Futter nicht selbst erlegt, wird er hungrig sein.«
Fleischpastete und Thunfischfilets, das ist eine sehr gute Idee. Gleich morgen früh werde ich beides besorgen. Seinen Leibspeisen wird Caruso bestimmt nicht widerstehen können.
Vielleicht habe ich aber auch Glück, und ich werde den Kater gar nicht erst einfangen müssen. Weil er sich zum Beispiel von ganz alleine wieder aus dem Staub gemacht hat. Oder weil ich mir doch nur alles eingebildet habe und langsam anfange durchzudrehen.
Was, wenn der Kater eben gar nicht hier bei mir in der Küche war? Wenn ich eingeschlafen bin und alles nur geträumt habe? Was aber haben dann das leere Schüsselchen auf dem Küchentisch und die Schachtel Schokopops auf der Anrichte zu suchen? Ich werde ja wohl kaum eine Portion von den Dingern ohne Löffel verdrückt haben. Oder vielleicht doch?
4
Katzen suchen sich ihr Zuhause selbst aus
Da habe ich mich wohl ganz gewaltig getäuscht. Caruso scheint sehr wohl in der Lage zu sein, sich sein Abendmahl selbst zu organisieren. Und so wie es aussieht, meint er, er müsse mich gleich mit versorgen. Vorsichtig umwickele ich den Mäuseschwanz mit einem Papiertuch und trage das Tier mit ausgestrecktem Arm in den Garten.
»Caruso«, rufe ich barsch, »wo steckst du? Ich weiß, dass du dich hier irgendwo rumtreibst.«
Auf einmal kommt der Kater seelenruhig durch die Blumenbeete marschiert. Dabei würdigt er mich keines Blickes. Er springt den Baumstamm hinauf und nimmt auf seinem Lieblingsast Platz.
»Wie bist du nur ins Haus gekommen?«, schimpfe ich laut. Die Maus lag vor meiner Wohnungstür, mitten auf dem Schmutzabtreter mit der Aufschrift Danke! , den Rici mir zum Einzug geschenkt hat. In den letzten Tagen habe ich die
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