Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
toten Tiere nur vor meinem Küchenfenster gefunden. Beim ersten Fund glaubte ich noch an einen Zufall. Aber nachdem ich am darauffolgenden Tag wieder ein erlegtes Mäuschen entdeckte, war mir klar, dass Caruso dahintersteckt.
Ich wohne seit vier Monaten in einer Altbauwohnung im Erdgeschoss eines Vierfamilienhauses. Und gleich bei der ersten Wohnungsbesichtigung habe ich mich in die Räumlichkeiten verliebt. Ich war begeistert von den hohen Wänden und den kunstvollen Stuckdecken. Von der Küche aus konnte man auf einen Baum schauen, der dünn mit Schnee überzogen war. Das sah wunderschön aus, obwohl er mir jetzt im Mai noch besser gefällt. Die Äste hängen momentan voller kleiner Blüten, aus denen irgendwann mal große Äpfel wachsen werden.
Wie sich herausstellte, hatte ich eine gehörige Portion Glück bei der Wohnungsvergabe. Der Vermieter war früher selbst Schüler auf genau der Schule gewesen, an der ich anfangen würde zu unterrichten. Als er hörte, dass ich dort als Lehrerin arbeiten würde, ließ er eine wüste Schimpftirade über seine verkorkste Schulzeit ab, die sich gewaschen hatte. Ich sah meine Hoffnungen schwinden, da es sehr viele andere Bewerber für die Wohnung gab. Also wunderte ich mich nicht, als ich noch am selben Abend eine Absage bekam. Doch eine Woche später klingelte mein Telefon, und der Vermieter war dran. Der Anwalt, der die Wohnung eigentlich hatte mieten wollen, war im letzten Moment abgesprungen. Und nun fiel die zweite Wahl auf mich. Zum ersten Mal seit Bens Tod empfand ich wieder so etwas wie Freude. Ich freute mich darauf, aus Düsseldorf wegzuziehen. Nicht sehr weit weg, nur ein Sprung über den Rhein, aber weit genug weg von den alten Erinnerungen und immer noch nah genug, um regelmäßig meine Mutter besuchen zu können.
»Bist du durch den Keller rein?« Ich stehe im Garten und suche mit den Augen die kleinen Souterrainfenster ab. Aber sie sind alle vergittert und geschlossen.
Schon seit Tagen versuche ich, Caruso zu mir in die Küche zu locken, um ihn einfangen zu können. Das Fenster steht deswegen ständig offen. Ich stelle dem Kater Pastete auf den Tisch, Thunfisch oder Schokopops, doch er ignoriert meine Lockversuche. So, als würde er ahnen, was ich dadurch bezwecken möchte. Im Gegenzug dazu finde ich jeden Morgen eine tote Maus im Garten, die ich mit spitzen Fingern entsorge. Dass sie heute allerdings vor meiner Wohnungstür lag, finde ich gar nicht nett. Ich wäre beinahe auf sie draufgetreten, als ich mal eben schnell barfuß nach der Post schauen wollte. Danke!
»Wenn du darauf wartest, dass ich dir die Viecher in der Pfanne brate, hast du dich aber gewaltig getäuscht, mein Lieber«, schimpfe ich laut weiter.
»Sie müssen sie loben.«
Überrascht drehe ich mich um. Am Gartentor steht die alte Frau Schuster, die in der Wohnung neben mir wohnt. Mit dem Zeigefinger deutet sie auf Caruso.
»Die Katze, Sie müssen sie loben«, wiederholt sie und lächelt mich an. Unsere Gespräche haben sich bis jetzt in Grenzen gehalten. Kurz nachdem ich eingezogen war, habe ich mich bei allen Nachbarn vorgestellt und ein paar Worte gewechselt, dabei war es geblieben. Über mir wohnt ein Pärchen mittleren Alters, das ich so gut wie nie zu Gesicht bekomme. Ich habe sie letztens beim Einkaufen getroffen und erst gar nicht erkannt. Schräg über mir, in der anderen Wohnung, wohnt ein Professor, der als Gastprofessor in Lugano unterrichtet und nur ab und zu an den Wochenenden vorbeischaut. Wenn er da ist, kann ich das unten ganz gut hören, weil von morgens bis abends klassische Musik bei ihm läuft.
Mit Frau Schuster hatte ich bisher noch den meisten Kontakt. Sie hat mir netterweise erklärt, wie das mit den Waschmaschinen im Keller funktioniert. Seitdem treffen wir uns häufiger in der Waschküche, da sie aus irgendeinem Grund immer dann zu waschen scheint, wenn ich das auch vorhabe. Ich vermute aber, dass sie mich abpasst, was vollkommen okay für mich ist. Wahrscheinlich ist sie einsam und freut sich, wenn sie mal ein paar Worte mit jemandem austauschen kann. Außerdem finde ich unsere Plaudereien im betonierten Souterrain mittlerweile sogar ganz nett.
Als Frau Schuster nun den Garten betritt und auf mich zukommt, wedele ich vorsichtig mit der Maus hin und her und erkläre: »Die Katze ist ein Kerl, und außerdem gehört er mir nicht.«
»So, so, ein Kater ist es also. Dann sollten Sie ihn erst recht loben. Er schenkt Ihnen seine Beute. Dadurch zeigt er Ihnen seine
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