Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
. Er sei bei Nathalie geblieben, weil sie einen Garten habe. Außerdem hätte er es auf dem Land eh viel schöner . – Rici, ich habe jedes einzelne Wort gedanklich mehrmals wiederholt, damit ich mir auch sicher bin, mich doch nicht verhört zu haben. Und jetzt kommt’s: Caruso hätte Bens Verlobte von Anfang an akzeptiert, obwohl sie eine Frau sei .«
»Sie hat wirklich Verlobte gesagt ? Das klingt so altmodisch.«
»Ja, hat sie. Ich dachte auch erst, ich hätte mich verhört, also fragte ich noch einmal nach. Karin ist die ganze Zeit davon ausgegangen, dass ich davon gewusst habe, sonst hätte sie nicht wie ganz selbstverständlich davon erzählt.«
»Und du hast wirklich absolut keine Ahnung gehabt? Ihr habt euch doch sonst immer alles erzählt!«
»Dass Ben mit Nathalie zusammen war, wusste ich. Aber richtig ernst genommen habe ich die Sache nicht. Vielleicht habe ich es aber auch einfach verdrängt. Ben hatte doch dauernd irgendeine Liebschaft am Start. Du weißt doch, wie er war. Es waren immer kürzere Beziehungen, die sich irgendwann von alleine erledigt haben. Was richtig Ernstes war nie dabei. Dazu hatte er ja auch gar keine Zeit. Er war ein Reisender. Und er … Ach, ich weiß auch nicht. In seiner letzten SMS hat er mir geschrieben, er wolle mir etwas Wichtiges erzählen. Vielleicht habe ich instinktiv gefühlt, dass es etwas mit Nathalie zu tun hat. Ich kenne Ben jetzt schon so lange, habe mir meine Gefühle für ihn aber in all den Jahren nie eingestanden. Vielleicht hat mich seine SMS irgendwie aufgerüttelt. Es wundert mich nur, dass Nathalie nicht auf der Beerdigung war. Sie wäre mir mit Sicherheit aufgefallen. Ich hatte mir auf jeden Fall vorgenommen, ihm zu sagen, dass ich ihn liebe. Weißt du was? Jetzt bin ich doch irgendwie froh, dass ich es ihm nicht schon vorher gesagt habe. Auf der anderen Seite …«
»Was?«
»Vielleicht wäre er noch am Leben, wenn ich ihn gleich in der Nacht noch angerufen hätte. Dann hätte er mir nämlich garantiert von seinen Heiratsplänen erzählt. Ich wäre enttäuscht und verletzt gewesen und hätte das Treffen unter einem Vorwand abgesagt. Dann wäre Ben nicht in den Blumenladen gefahren, hätte den Kübel Margeriten nicht für mich gekauft, wäre nicht von dieser blöden Biene gestochen worden, hätte keinen allergischen Schock erlitten und wäre nicht … wäre nicht …«
Ben ist tot, aber ich schaffe es nicht, das auch auszusprechen. Ich wünsche mir, dass alles nur ein großer Irrtum ist. Und ich versuche mir einzureden, dass er sich einfach wieder im Ausland befindet.
Oft haben wir wochenlang nichts voneinander gehört. Und dann klingelte plötzlich mitten in der Nacht das Telefon, und Ben begrüßte mich mit den Worten: »Sag mal ehrlich, findest du mich eigentlich egoistisch?« Oder »Marly, wie viele Löffel Honig muss ich für das Rezept mit den Bergischen Waffeln nehmen?« Oder »Was meinst du, wächst Ananas auf Bäumen oder Sträuchern? Sag schnell, wir haben hier eine coole Wette laufen.« Dabei war es Ben egal, dass er in dem Moment gerade in Brasilien und es dort erst zweiundzwanzig Uhr abends war, aber in Deutschland schon drei Uhr morgens.
Ben war nicht egoistisch, aber manchmal etwas gedankenlos. In das Rezept für die Waffeln gehören eigentlich drei Esslöffel Honig, aber ich nehme immer fünf. Dadurch schmecken sie nicht nur süßer, sie werden auch knuspriger. Und Ananas wächst einfach so aus dem Boden heraus, die Felder sehen aus wie große Salatanbaugebiete. Das wusste ich allerdings nicht. Meine Vermutung war, die Dinger wüchsen an großen Stauden, ähnlich wie Bananen. Dass ich damit unrecht hatte, erfuhr ich damals nur etwa eine halbe Stunde später, nachdem ich gerade wieder eingeschlafen war und mein Handy mich erneut aus dem Schlaf riss.
»Marly, das glaubst du jetzt bestimmt nicht, aber die Dinger wachsen mit ihren Wurzeln einfach so aus dem Boden raus …«
Nach Genf kam London, und der Zeitunterschied war längst nicht mehr so gravierend. Allmählich ließen auch die nächtlichen Anrufe nach.
Nach seinem Informatikstudium in München, das Ben in kürzester Zeit und mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, war er als Projektleiter für IT -Sicherheit kreuz und quer in der Welt unterwegs, so wie er sich das immer gewünscht hatte. Ich ließ mir etwas mehr Zeit mit meinem Lehramtsstudium, für das ich ganze zwölf Semester studiert habe. Meine Mutter konnte mich finanziell nicht unterstützen, und meinen Vater hätte
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