Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
Gespräch einlassen …
»Und? Erzähl schon!«
»Sie wohnt in Mettmann. Ihre Mutter ist eine Arbeitskollegin von Bens Mutter. Bei einer Weihnachtsfeier vor zwei Jahren hat Nathalie Taxi gespielt und die beiden Frauen spätabends nach Hause gefahren, weil sie ordentlich was gezwitschert hatten. Vor der Haustür haben sie irgendwie noch rumgeblödelt. Dabei hat sie Ben kennengelernt. Die Zeit um Weihnachten hat er ja meistens bei seinen Eltern verbracht. In diesem Jahr war er etwas früher da als sonst, weil er seine Brasilienreise plante. Da Nathalie, im Gegensatz zu mir, Katzen liebt, hat sie Ben angeboten, während seiner Abwesenheit auf Caruso aufzupassen. Weil die beiden, also Kater und Nathalie, sich so prima verstanden, hat sie das Katersitting-Angebot auch während des Londonaufenthaltes ausgeweitet. Ich bin immer davon ausgegangen, Caruso wäre bei seinen Eltern geblieben.
Bis dahin waren die beiden einfach nur befreundet. Sie hatten ausschließlich E-Mail-Kontakt, in der Nathalie ihm die neuesten Geschichten über Caruso erzählte. Mit der Zeit wurden die Mails privater – und dann, warte … wie hat sie es ausgedrückt … immer intimer. Wie intim genau möchte ich lieber nicht wissen. Schließlich hat sie sich in den Flieger gesetzt und Ben in London überrascht. Zum Abschied hat er ihr einen neongelben, blinkenden Plastikring geschenkt, was absolut zu ihm passt. Den wollte er bei Gelegenheit in einen echten umtauschen. Aber dazu kam es dann nicht mehr, weil Ben zuerst mich besuchen wollte. Rici, er wusste schon drei Monate lang, dass er Nathalie heiraten wird, hat mir aber nichts davon erzählt. Kannst du dir das vorstellen?«
»Wow!«
Meine Freundin hat mich, bis auf das Wow, kein einziges Mal unterbrochen. Und Emma auch nicht. Sie ist so erschöpft, dass sie sofort im Kindersitz eingeschlafen ist, nachdem wir uns auf den Rückweg gemacht haben. Als sie einmal tief ein- und ausatmet, spreche ich etwas leiser, was mir sehr schwerfällt, aufgewühlt, wie ich gerade bin.
» Wow ? Das ist alles, was dir dazu einfällt? Warte mal, was ich dir jetzt noch erzähle. Das Beste weißt du nämlich noch nicht. Nathalie denkt nämlich ernsthaft, Ben hätte Caruso zu mir geschickt, damit er auf mich aufpasst. Was sagst du dazu?«
»Das passt zu einer, die, wie heißt das noch, Eurythmie, unterrichtet. Vielleicht kann Caruso auch seinen Namen tanzen. Hast du sie das mal gefragt?«
Die Vorstellung gefällt mir, und ich muss kichern. Trotzdem, der Gedanke, Ben könne mir Caruso geschickt haben, fühlt sich irgendwie richtig an. Der Kater ist in den letzten Tagen immer nur dann zu mir in die Wohnung gekommen, wenn es mir sehr schlecht ging und ich geweint habe. Nicht mal von seinen Lieblingsleckereien hat er sich locken lassen. Das hatte ich zwar befürchtet, weil Ben immer behauptet hat, Caruso sei nicht bestechlich. Aber ich dachte, der Hunger würde ihn vielleicht doch noch zu mir treiben.
Und die toten Mäuse? Vielleicht hat Ben mich ja doch geliebt, und sie sollten ein später Liebesbeweis für mich sein, in Katersprache sozusagen? Aber das erwähne ich jetzt lieber nicht, sonst wird Rici mich tatsächlich für verrückt erklären. Unauffällig lenke ich das Gespräch in eine andere Richtung.
»Weißt du was? Waldorfschule hin oder her. Ich gebe es nur ungern zu, aber Nathalie ist genauso, wie Ben sich seine Traumfrau immer vorgestellt hat. Sie wirkt so standfest, so unerschütterlich, trotz dieses enormen Schicksalsschlages. Ich glaube, ich kann verstehen, dass er sie heiraten wollte.«
Ich habe mir noch nie großartig viel aus Wein, Bier oder gar irgendwelchen harten Sachen gemacht. Seit Bens Tod habe ich überhaupt keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken. Aus Angst davor, dann richtig abzustürzen und die Kontrolle über mich zu verlieren. Aber heute ist mir das egal. Ich gieße mir das ganze Glas voll Wodka und nehme gleich ein paar große Schlucke hintereinander. Es schmeckt so fürchterlich, dass es mich schüttelt. Ich sehe im Kühlschrank nach, ob sich etwas Passendes zum Mixen findet. Orangensaft habe ich nicht, aber gemischt mit Multivitaminsaft und Vanilleeis wird das Zeug bestimmt erträglicher.
Heute habe ich Nathalie kennengelernt, Bens Verlobte und absolute Traumfrau. Dass sie seine Traumfrau war, weiß ich ganz genau. Es steht schwarz auf weiß auf dem Stück Papier, das ich gerade aus der großen Holzkiste gekramt habe, in der ich alle Erinnerungsstücke an Ben aufbewahre. Den Zettel hat
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