Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
Ben vor fünf Jahren geschrieben.
Damals bin ich mit dem Zug zu ihm nach München gefahren, wo er studiert hat. Ben hat mich vom Bahnhof abgeholt, aber anstatt in seine kleine Studentenbude zu fahren, sind wir bis nach Berchtesgaden durchgebraust. Er wollte unbedingt mit mir im Königssee schwimmen gehen. Für seine spontanen Einfälle habe ich Ben immer schon geliebt. Er kam manchmal auf die verrücktesten Ideen, die allerdings hin und wieder einen kleinen Haken hatten.
Auf dem Rückweg sind wir mitten in der Nacht irgendwo in der Landschaft stehen geblieben, weil die Tankanzeige seines alten Fords angeblich kaputt war. Zumindest hat Ben das damals behauptet. Ich meine aber, er hat das Warnpiepen einfach überhört und wir hätten schon in Berchtesgaden tanken müssen. Auf jeden Fall haben wir die Nacht in einer abseits gelegenen Scheune verbracht, wo wir uns ganz fürchterlich betrunken haben.
Ben hatte zwar kein Benzin mehr, dafür aber jede Menge anderen Sprit geladen, den wir in einer kleinen Enzianbrennerei gekauft hatten. Bis dahin hatte ich von Blutwurz noch nie etwas gehört. Heute weiß ich, dass man das Zeug trinken kann und in kürzester Zeit davon ordentlich einen sitzen hat, was bei einem Alkoholgehalt von 48 Prozent nicht verwunderlich ist.
Ben überlegte an diesem ungewöhnlichen Ort, wie er seiner aktuellen Flamme Patrizia beibringen könne, dass es auf Dauer nichts mit ihnen werden würde. Ich versuchte ihn davon zu überzeugen, es ihr mit einfachen, sehr deutlichen Sätzen zu erklären, wie: Ich liebe dich nicht. Deswegen trenne ich mich von dir oder Ich verlasse dich, weil du nicht die Richtige für mich bist . Begründungen wie Es liegt nicht an dir. Ich bin einfach noch nicht so weit , seien feige, habe ich ihm erklärt. Außerdem würden sie falsche Hoffnungen wecken. Ben hat daraufhin Trennungsgespräche mit mir geübt und mich an diesem Abend gleich mehrmals verlassen. Am besten gefiel mir: »Patrizia, ich verlasse dich, aber vorher muss ich dich noch einmal küssen.« Dabei wäre ich beinahe schwach geworden, aber eben nur beinahe. Ich war zwar betrunken, aber noch nüchtern genug, um mich nicht in seine Arme zu werfen, weil ich viel zu viel Angst davor hatte, Ben dadurch als besten Freund zu verlieren. Liebhaber kann man relativ problemlos austauschen, hatten wir einmal festgestellt, beste Freunde nicht.
Da wir aber bisher immer Pech in Sachen Liebe gehabt hatten – mein damaliger Freund hatte mir vor drei Wochen nach immerhin einem halben Jahr Liaison den Laufpass gegeben –, beschrieben wir im Licht einer Taschenlampe unsere absoluten Traumpartner auf einem Zettel. Dann beschlossen wir, die einzelnen Punkte noch einmal leise vorzulesen und den Wunsch mit der Kraft unserer Gedanken nach oben in den Himmel zu funken. Ich war damals sicher, dass das Blödsinn ist. Außerdem war ich mittlerweile viel zu betrunken, um noch lesen zu können, nicht mal meine eigene Schrift. Ich wünschte mir nur noch den Schlaf herbei, und wenig später fielen mir auch die Augen zu. Am nächsten Morgen wachte ich auf, als mich der Bauer sanft mit seinem Stiefel in die Seite stupste.
Vor der Scheune grasten Kühe. Ben behauptete später, ich sei so betrunken gewesen, dass ich mich die halbe Nacht mit Rosalie, einer dicken Milchkuh, unterhalten hätte. Angeblich hat er mich auch muhen hören. Aber Ben hatte schon immer eine blühende Fantasie und den Hang dazu, maßlos zu übertreiben. Deswegen habe ich mich auch gewundert, dass er ausgerechnet Informatik studieren wollte. Irgendwie bin ich immer davon ausgegangen, aus ihm würde mal ein Drehbuchautor oder ein Regisseur werden.
Ich habe schon oft bereut, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann, was damals wirklich alles geschehen ist.
Ob Ben mich in jener Nacht vielleicht doch geküsst hat? Und ich habe es nicht mitbekommen, weil ich zu betrunken war?
Wehmütig seufze ich auf und schütte noch etwas Wodka in den Multivitaminsaft, auf dem eine Kugel Vanilleeis schwimmt. Die Mischung erinnert mich an die Schlammbowle aus der Abizeit, die damals der absolute Renner war.
Dann streiche ich Bens Zettel glatt und lese:
Meine absolute Traumfrau:
• hat langes Haar und ein sehr schönes, feines Gesicht,
• hat Sommersprossen,
• hat Grübchen – im Gesicht natürlich,
• ist auf jeden Fall kleiner als ich,
• lacht viel und ist warmherzig,
• kann kochen und
• liebt Katzen.
Kurz bevor ich nach Neuss gezogen bin, habe ich mir mutig einen
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