Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
Kurzhaarschnitt verpassen lassen, damit mein Neuanfang auch wirklich ein Neuanfang wird. Mein fransiger Pony ist etwas länger, sodass er vorne lässig ins Gesicht fällt. Die Haare am Nacken sind jedoch sehr kurz geschnitten, und da ich hinten viele Wirbel habe, stehen sie kreuz und quer in alle Richtungen ab. Rici meint, der Schnitt wäre sehr frech und würde zu mir passen. Komisch, dass Nathalie mich trotzdem sofort erkannt hat. Auf den Fotos, die Ben von mir besaß, habe ich zumindest immer halblanges Haar gehabt.
Mein Gesicht würde ich eher als breit und nicht als fein geschnitten bezeichnen. Ich habe schöne volle Lippen, große blaue Augen und eine etwas knubbelige Nase. Als Kind wurde ich oft mit E.T.s kleiner Freundin Gertie verglichen, die von Drew Barrymoore gespielt wurde. Vom Typ her bin ich ihr auch heute noch ähnlich. Ständig muss ich aufpassen, dass ich nicht zu viel Gewicht mit mir rumschleppe. Wenn ich zunehme, macht sich das extrem in meinem Gesicht bemerkbar. Es wird dann noch runder, und ich sehe aus, als hätte ich zehn Kilo zugenommen, obwohl es definitiv nur zwei waren. Aber über mein Gewicht muss ich mir momentan überhaupt keine Gedanken machen. Ich habe keinen richtigen Appetit mehr und muss mich oft dazu zwingen, überhaupt etwas zu essen. Bei einer Größe von 1,72 Meter wiege ich 63 Kilo. So schlank war ich schon lange nicht mehr.
Mit Sommersprossen und Grübchen im Gesicht kann ich leider gar nicht dienen. Und ich lache auch nicht oft. Ben hat häufig zu mir gesagt, ich sei viel zu ernst. Dann hat er Blödsinn gemacht und war erst zufrieden, wenn ich über seine Aufmunterungsversuche gelacht habe. Das empfand ich manchmal als sehr anstrengend. Mir wäre lieber gewesen, er hätte mich einfach so akzeptiert wie ich bin. So aber beschlich mich manchmal das Gefühl, einfach nicht lustig genug für ihn zu sein.
Meine Kochkünste sind ehrlich gesagt auch recht bescheiden. Ich kann ganz gut backen, wenn ich mich genau an das Rezept halte. Aber ich habe nie ein gesteigertes Interesse daran gehabt, irgendwelche besonders ausgefallenen Kochrezepte nachzukochen oder diese gar noch zu verfeinern, so wie Ben das gerne tat. Und Katzen liebe ich auch nicht. Ich habe überhaupt keinen besonderen Zugang zu Tieren. Genau genommen erfülle ich gerade mal einen einzigen Punkt von Bens Liste. Ich bin kleiner als Ben.
Ob Ben damals im Berchtesgadener Land seine Traumfrauwünsche wirklich nach oben in den Himmel gefunkt hat? Vielleicht gibt es dort ja irgendeine Art Wunschauffangstation, in der alle Wünsche gesammelt werden. Mein Wunsch, Schlaf zu finden und morgens ohne Kopfschmerzen aufzuwachen, wurde damals gleich erfüllt. Bei Ben hat es etwas länger gedauert, aber sein Wunsch scheint definitiv auch oben angekommen zu sein. Immerhin ist ihm letztendlich Nathalie, die so ganz dem gewünschten Traumexemplar zu entsprechen scheint, geschickt worden. Irgendwie tröstet mich der Gedanke, an der Sache könne was dran sein. Denn das würde bedeuten, dass es den Himmel wirklich gibt und Ben sich da oben gerade kringelig lacht, weil ich mich mit klebrigen Wodka-Cocktails betrinke – vorausgesetzt, man kann vom Himmel aus wirklich nach unten auf die Erde schauen.
»Bist du da oben?«, frage ich und linse schräg aus dem Fenster in den Nachthimmel. »Dann pass mal gut auf: Denn hier kommen die Wünsche für meinen absoluten Traummann.«
Diesmal bin ich noch nüchtern genug, um lesen zu können, habe aber genügend Alkohol intus, um mir nicht albern vorzukommen. Meine Liste von damals halte ich mittlerweile in den Händen. Laut und deutlich lese ich vor:
Mein absoluter Traummann:
• nörgelt nicht an mir rum, sondern liebt mich einfach so wie ich bin,
• nimmt mich ernst, auch wenn ich mal wieder rumspinne und irgendwelche verrückten Pläne habe,
• würde für mich bis ans Ende der Welt gehen,
• hat dunkles, volles Haar,
• braune Augen,
• ist auf jeden Fall größer als ich und
• hat auf keinen Fall ein Auto mit kaputter Tankanzeige!
• Und er ist zuverlässig!!!
»Ha!«, rufe ich laut. »Eins ist ja wohl klar, damit habe ich damals ganz sicher nicht dich gemeint! Du hast nämlich ständig an mir rumgenörgelt, weil ich dir nicht fröhlich genug war. Ernst genommen hast du mich auch nicht. Als ich nach dem Abi nach Schottland gehen wollte, um Schafe zu hüten, hast du mich ausgelacht. Ich solle nicht rumspinnen und endlich erwachsen werden, hast du mir an den Kopf geknallt. Keine
Weitere Kostenlose Bücher