Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
Dogge sein. Ob der riesengroße Hund die verstörte Tilda ist? Und was hatte die Sache mit der Katzenattacke zu bedeuten? Ich sehe mir den Blonden von meiner erhobenen Position aus etwas genauer an. Er trägt eine ausgeleierte Jogginghose, Turnschuhe und eine schwarze Kapuzenjacke. Sieht mit seinen verstrubbelten Haaren gar nicht so übel aus, finde ich.
Ich überlege gerade, ob ich das Fenster öffnen soll, um die Sache zu klären, da sehe ich Frau Schuster auf ihn zukommen. Auf dem Arm trägt sie einen grauen Kater.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, entfährt es mir. Aber es ist wahr. Es ist zweifelsohne Caruso. Der müsste doch eigentlich bei Nathalie sein!
Frau Schuster bleibt kurz bei dem Hundebesitzer stehen. Die beiden scheinen sich zu kennen und wechseln ein paar Worte, bis die Dogge beeindruckend laut zu bellen anfängt. Dann trennen sich ihre Wege, und es dauert nicht lange, da klingelt es erneut. Wie nicht anders zu erwarten, steht meine Nachbarin vor Tür. Wie ich durch den Türspion sehen kann, hält sie auf dem Arm noch immer Caruso. Ich denke kurz daran, einfach nicht zu öffnen und mich wieder ins Bett zu legen. Der Kater gehört schließlich nicht zu mir, aber das sieht Frau Schuster anscheinend anders. Und Caruso auch. Es klingelt wieder.
7
Meinst du, es könnten Liebesbeweise von Ben sein?«
Ich öffne die Tür nur einen Spaltbreit. »Hallo Frau Schuster«, nuschele ich. »Ich bin krank, habe einen ganz schlimmen Magen-Darm-Infekt. Ich möchte Sie nicht anstecken.«
Außerdem habe ich meinen Schlafanzug noch an, und in meiner Wohnung sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Aber das muss sie ja nicht unbedingt wissen. Auf der Küchenanrichte steht noch eine halbe Packung geschmolzenes Vanilleeis. Auf dem Wohnzimmerboden liegen kreuz und quer verteilt verschiedene Stücke aus Bens Erinnerungskiste – und die fast leere Flasche Wodka.
»So schnell haut mich nichts um, Kindchen«, sagt die ältere Dame lachend und steht kurz darauf schon in meiner Diele. Ungeniert sieht sie sich um.
»Ich habe ihn gestern zurück nach Mettmann gebracht, wo er eigentlich hingehört«, erkläre ich und zeige auf den Kater, der mit einem eleganten Satz von Frau Schusters Arm springt. Okay, das stimmt nicht ganz, wir haben ihn bis nach Duisburg gebracht, aber Nathalie wollte ihn mit nach Hause nehmen. Wäre er wieder ausgebüxt, hätte sie sich doch bestimmt gemeldet. Aber vielleicht hat sie es noch gar nicht bemerkt, das war beim letzten Mal schließlich auch der Fall.
»Und nun? Was machen wir jetzt mit ihm? Er scheint bei Ihnen bleiben zu wollen, der feine Kerl.«
Der »feine Kerl«, wie Frau Schuster ihn nennt, scheint es auf riesige Doggen abgesehen zu haben, wenn ich das alles eben richtig verstanden habe. Und wie um Himmels willen hat er schon wieder bis zu mir gefunden?
»Das dürften so um die vierzig Kilometer sein von Mettmann bis hierher«, stelle ich fest. »Wie er das wohl zum zweiten Mal geschafft hat?«
Das hätte ich nicht erwähnen dürfen, denn es ermuntert Frau Schuster dazu, mir eine Geschichte nach der anderen über ganz besondere Kater zu erzählen, die sehr erstaunliche Dinge vollbracht haben. Einer soll angeblich über dreitausend Kilometer von Portugal bis nach Düsseldorf zurückgelegt haben, nur um wieder bei seinem alten Besitzer sein zu können.
Caruso hat sich mittlerweile auf den Weg in die Küche gemacht. Ungeduldig trete ich im Flur von einem Bein auf das andere. Ich möchte nicht unhöflich sein, und eine gute Nachbarschaft empfinde ich als sehr wichtig, aber ich habe heute Morgen eindeutig genug abenteuerliche Katzengeschichten gehört.
»Das mag ja alles stimmen«, falle ich Frau Schuster ins Wort, »aber Caruso gehört doch gar nicht zu mir. Er hat nie bei mir gelebt. Und leiden konnte er mich im Übrigen auch noch nie. Er gehörte meinem Freund.« Ich schiebe schnell noch ein »Meinem besten Freund« hinterher, damit es sich nicht so anhört, als wären Ben und ich ein Paar gewesen.
»So?«, fragt meine wissbegierige Nachbarin. »Und wo steckt Ihr Freund jetzt? Er hat wohl keine Zeit mehr, sich um seinen Kater zu kümmern. Das kommt oft vor. Erst schaffen sich die Leute ein Tier an und dann …«
»Er ist tot«, unterbreche ich sie. Zum ersten Mal habe ich es ausgesprochen.
Und sofort ist er wieder da, der Schmerz, hartnäckig durchdringt er jede einzelne Faser meines Körpers. Ich verliere alle Hemmungen und breche in Tränen aus. Dabei spielt es keine
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