Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
verbracht. Wir haben unsere Liebe gelebt, auch wenn unsere Eltern zuerst dagegen waren. Du hättest mal meine Mutter hören müssen! Sie war immer sehr ausgeglichen, aber als sie mitbekommen hat, dass ich mich in einen Gastarbeiter verliebt habe, da ist sie richtig laut geworden … Es waren die Fünfziger! Und dann war er auch noch zehn Jahre älter als ich.«
Lorenzo war gelernter Schlosser, hat aber die erste Zeit in Deutschland als Landschaftsgärtner gearbeitet. In der Siedlung, in der Hilde damals gewohnt hat, hat sie ihn beim Legen von Entwässerungsrohren vom Fenster aus beobachtet. Immer wenn er zu ihr hochgesehen hat, ist sie schnell von ihrem Beobachtungsposten verschwunden, nur um sich wenig später wieder auf die Lauer zu legen. Nach drei Wochen täglicher »Spionage«, in die auch ihre beste Freundin Marianne involviert war, waren die Rohre alle gelegt und der gut aussehende Italiener verschwunden. Hilde war sehr unglücklich und suchte mit Marianne die Nachbarsiedlungen ab, aber die Suche blieb erfolglos. Doch als sie nach Hause ging, wartete eine Überraschung auf sie. Vor der Haustür stand Lorenzo, in der Hand hielt er einen Strauß weißer Rosen. Er traute sich offensichtlich nicht zu klingeln und nach Hilde zu fragen, weil er so gut wie kein Wort Deutsch sprach.
»Suchst du mich?«, fragte Hilde.
»Du bist eine … sehr schöne Frau.« Den Satz hatte Lorenzo sich aus dem Wörterbuch zusammengesucht, das er fest mit der einen Hand umklammert hielt. Er war so aufgeregt, dass er den Strauß beinahe vergessen hätte. Als sie darauf deutete und fragte: »Sind die für mich?«, nickte Lorenzo, puterrot im Gesicht.
Da wusste Hilde, dass sie den Mann fürs Leben gefunden hatte.
»Ach, wie schön!«, sage ich und seufze ergriffen.
»Ja, unser Kennenlernen war wirklich romantisch … Aber jetzt wieder zurück zu dir. Musst du eigentlich nicht arbeiten? Ich mein ja nur, ich sehe dich nicht morgens regelmäßig aus dem Haus gehen. Nicht, dass ich dir nachspioniere«, sagt Hilde, »aber es ist mir einfach nur aufgefallen.«
»Ich bin Lehrerin. Und nach den Sommerferien fange ich mit dem Unterrichten an. Momentan mache ich ehrlich gesagt gar nichts. Im Februar war meine letzte Prüfung, und dann bin ich hier eingezogen. Ich habe mir während des Referendariats ein bisschen was zusammengespart – nicht viel, aber genug, um die nächsten Monate über die Runden zu kommen. Eigentlich wollte ich die Zeit nutzen und mal wieder malen. Ich habe nämlich Deutsch und Kunst studiert, und die letzten zwei Jahre ist die Malerei ziemlich auf der Strecke geblieben. Und dann … Ich könnte mich auch um den Garten kümmern.«
»Um den Garten? Das wäre schön. Hast du dir das kleine Gewächshaus schon mal näher angesehen? Es ist ganz geräumig, da könntest du bestimmt gut drin malen. Zumindest im Sommer, wenn es warm ist.«
Ein Atelier im Gewächshaus? Das ist eine sehr gute Idee. Warum bin ich da noch nicht selbst draufgekommen?
»Das machen wir!«, sage ich begeistert. »Ich bringe den Garten auf Vordermann. Aber du musst mir dabei helfen. Ich hab nämlich überhaupt keinen Plan von Gartenarbeit. Ich weiß ja noch nicht einmal, was da draußen Unkraut ist und was nicht. Die Minze habe ich natürlich erkannt, Rosmarin und Thymian auch. Manche Gewächse hingegen sind mir total fremd …«
Ich halte inne, fällt mir doch gerade wieder ein, dass Hilde die Gartenarbeit ja zu beschwerlich geworden ist. Erwartungsvoll schaue ich sie an.
»Ich helfe dir im Garten, wenn du ein Bild für mich malst«, schlägt sie vor.
»Ich soll ein Bild für dich malen? Was denn?«
»Zum Beispiel von dem Kater.«
»Von Caruso?«
Einen kurzen Moment bin ich völlig baff. Aber warum eigentlich nicht?
»Groß- oder eher kleinformatig?«
»Groß!«, antwortet Hilde. Meine Wohnung ist genauso geschnitten wie deine. Im Flur steht ein riesiger Dielenschrank, da passt nicht mehr viel hin. Und im Schlafzimmer habe ich lauter gerahmte Fotos angebracht. Im Wohnzimmer über der Couch hängt irgend so ein altes mediterranes Kitschbild, das ich nie wirklich mochte. Lorenzo hat es von einem Onkel geschenkt bekommen. Das können wir abhängen und gegen ein Bild von dir austauschen. Ein bisschen Farbe kann auch in meinem Leben nicht schaden.«
8
Sie ist einfach viel zu sensibel
Der Kater ist innerhalb der letzten beiden Wochen zwangsläufig Bestandteil meines Lebens geworden. Die meiste Zeit sitzt er draußen im Baum, dann ist er wieder
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