Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
irgendwo unterwegs, um eines seiner Geschenke für mich zu besorgen. Sein Territorium in meiner Wohnung hat er nach und nach ausgedehnt. Nach der Küche hat er mein Wohnzimmer und das Arbeitszimmer in Beschlag genommen. Von der Fensterbank aus beobachtet er die Straße. Die Riesendogge lässt er anscheinend in Ruhe, zumindest war der blonde Kerl nicht noch einmal da, um sich zu beschweren. Nur mein Schlafzimmer bleibt für Caruso tabu. Nachdem er es sich einmal auf meinem Kopfkissen bequem gemacht hatte, bleibt die Tür verschlossen. An die vielen grauen Haare habe ich mich die letzten beiden Wochen einigermaßen gewöhnt. Sie verteilen sich gleichmäßig in der ganzen Wohnung. Es scheint ganz egal zu sein, ob ich einmal oder dreimal am Tag sauge, der hartnäckige Pelz taucht sowieso wieder auf.
Und soeben habe ich zum ersten Mal das sprichwörtliche Haar in meiner Suppe gefunden, die Hilde zubereitet hat. Ich fische es heraus, grinse ergeben und löffele einfach weiter. »Das war lecker«, sage ich und seufze zufrieden. »Kann man die Blätter auch einfrieren? Dann könnten wir auf Vorrat davon pflücken.«
Hilde kennt sich nicht nur mit Gartenpflanzen aus, sondern auch mit Wildkräutern. Dass Bärlauch gut schmeckt, wusste ich, denn daraus kann man unter anderem ein sehr leckeres Pesto herstellen. Das zarte Aroma nach Knoblauch macht sich aber auch gut in der Suppe, und ich genehmige mir noch einen ordentlichen Nachschlag.
»Du musst die Blätter nebeneinander ausgebreitet in die Gefriertruhe packen. Wenn sie gefroren sind, kannst du sie zerbröseln und in Tüten einfrieren. Dann kleben sie nicht aneinander fest, und du kannst später gut dosieren. Aber du musst dich beeilen, denn Bärlauch soll man vor dem Blühen ernten.«
»Wieso? Ist die Blüte giftig?«
»Nein, aber die Blätter verlieren dadurch an Aroma und werden etwas zäher. Passieren kann allerdings nichts, solange du nicht stattdessen Maiglöckchen pflückst. Deren Blätter sehen nämlich zum Verwechseln ähnlich aus. Aber an der Stelle im Wald, an der wir waren, wird dir das kaum passieren.«
»Dann fahre ich dort auf jeden Fall noch mal hin.«
Hilde arbeitet jeden Tag ein bis zwei Stunden gemeinsam mit mir im Garten. Dass Gartenarbeit entspannend sein kann, habe ich schon oft gehört, dass es allerdings auch bei mir zutrifft, hätte ich nie gedacht. Aber das Beste an der Sache ist, dass Hilde mir dabei auch jede Menge bisher wohlbehüteter Familienrezepte verrät. Gestern haben wir Holunderblütengelee gekocht. Die ganze Küche hat nach den kleinen, sehr aromatischen Blüten geduftet. Auf einer Scheibe Brot, vorher dick mit Quark beschmiert, ist das Gelee ein Gedicht. Ich freue mich schon auf Ricis Gesicht, wenn ich ihr das Gelee vorsetze.
Seitdem Hilde in mein Leben getreten ist, ist es wieder ein kleines bisschen heller um mich herum geworden, und die Dinge machen mir wieder mehr Spaß. Mir fallen häufiger schöne Dinge auf, wie zum Beispiel der Apfelbaum vor meinem Fenster, auf dem es sich nach wie vor mit Vorliebe Caruso gemütlich macht.
»Meinst du, man kann das Gelee eventuell auch mit Apfelblüten kochen?«, frage ich Hilde, die gerade unsere Teller abräumt und Spülwasser einlaufen lässt.
»Hm, prinzipiell schon, der Duft ist allerdings nicht so intensiv. Versucht habe ich es noch nie, aber vielleicht solltest du sie vorher in Sekt ziehen lassen. Alkohol löst die Duftstoffe.«
»Champagnergelee mit Apfelblüten, klingt gut. Aber jetzt will ich mich um das Gewächshaus kümmern und es auf Vordermann bringen, damit du endlich zu deinem Bild kommst. Apropos Bild – wo treibt sich denn unser zukünftiges Model rum? Ich habe ihn heute noch gar nicht gesehen.«
Caruso kommt und geht, wann er will. Momentan ist es schön warm draußen, sodass das Fenster meist offen steht und er freien Zugang durch die Küche hat. Sollte es aber anfangen zu regnen oder kühl werden, habe ich ein Problem. Zu meiner Wohnung gehört keine Terrasse oder ein Balkon, und den Garten erreicht man nur durch ein kleines Tor seitlich des Hauses oder den Keller. Ich müsste also eine Katzenklappe ins Küchenfenster einbauen lassen, um Caruso ständigen Einlass in meine Wohnung zu gewähren. Bisher habe ich damit gewartet, weil ich mir nicht sicher war, ob er auch tatsächlich bei mir bleiben möchte. Außerdem könnte Nathalie den Kater immer noch zurückverlangen. Ich habe sie angerufen, nachdem Caruso wieder bei mir aufgetaucht war und nach drei Tagen immer
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