Im Hyperraum
der Luke
schwebte, kam es ihr vor, als brauche Mogurn sehr lange zum Sterben.
Sie
sah, wie er die Arme ausstreckte, hinein in die Leere dieser
sonderbaren Unendlichkeit. Dann schien er zu schimmern und sich
aufzulösen, sein Körper dehnte sich und reckte sich nach der Ferne; er
glich einer Gestalt aus bunten Dunstschwaden und Rauch, die sich
ausdünnte und in die Länge zog, die Hände zuerst, gefolgt von dem Rumpf
und den FüÃen.
Dann verschwand er, und sie erblickte
nur noch die chaotischen, den Geist lähmenden, die Augen zerfetzenden,
Ãbelkeit erzeugenden Strudel des Flux.
Ein paar
Sekunden oder vielleicht auch Minuten vergingen, ehe sie die Kraft
fand, sich umzudrehen und die Tafel zu berühren, die die Luke wieder
schloss.
Noch länger dauerte es, bis sie ihr Spacepack abschaltete und sich in die kalte, schweigend Leere des Schiffs begab.
Kapitel 14
S ICHERER H AFEN
W ÃHREND DER NÃCHSTEN ACHTUNDVIERZIG Stunden verlieà sie kaum das Netz. Und wenn sie drauÃen war, wurde sie
im Schlaf von Albträumen gequält und bildete sich ein, in den
Schiffskorridoren Gespenster zu sehen. Sie konnte nichts essen. Zweimal
wachte sie in Schweià gebadet auf und sah Mogurns Gesicht vor sich, der
sie lüstern betrachtete. Niemals löschte sie das Licht, doch das schien
ihr auch nicht zu helfen. Jedes Mal, wenn sie es schaffte, zur Ruhe zu
kommen, wenn ihre Wachsamkeit nachlieÃ, wurde sie durch Visionen von
Mogurn heimgesucht.
Im Netz erging es ihr nicht viel
besser, doch zumindest hatte sie das Netz halbwegs unter Kontrolle. Sie
flog durch dräuende, gewittrige Himmel, in denen Blitze zuckten und
Regenstürme peitschten. Das Schiff kämpfte gegen widrige Winde an,
schüttelte sich in jähen Turbulenzen. Sie flog schnell und hart am
Wind, entschlossen, Lexis so schnell wie möglich zu erreichen. Ermüdung
spielte für sie keine Rolle mehr.
Einmal glaubte sie,
Mogurns Fratze durch die Nebel des Flux aufsteigen zu sehen; er wandte
sich ihr zu und provozierte sie mit seinem glasigen, starren Blick.
Einen entsetzlichen Moment lang dachte sie, sie wäre verloren. Wie
sollte sie gegen ein Gespenst ankämpfen, das physisch nicht real war?
Als die erste Woge der Angst abflaute, erkannte sie, dass ihre eigenen
Gedanken Mogurns Bild heraufbeschworen hatten. Und wenn ihre Phantasie
ihn generieren konnte, vermochte sie ihn auch wieder zu löschen.
Verschwinde, Gespenst ⦠du existierst nicht, flüsterte sie in den Nebel hinein. Mit grausamem Lächeln rückte Mogurn näher, jedenfalls erschien es ihr so.
Am
Ende gelang es ihr nur, dem geisterhaften Mogurn zu entkommen, indem
sie ihn in den Stürmen des Flux überholte und ihm davonflog. Doch
nachdem er einmal fort war, kehrte er nicht mehr zurück â nicht,
solange sie im Netz weilte.
Stunden verstrichen, es vergingen zwei Tage; die verschwommenen Lichtflecke in der Ferne nahmen an GröÃe zu.
â
A LLMÃHLICH VERDUNSTETEN DIE N EBEL ,
derweil sich das Schiff durch die Schichten des Flux in den Normalraum
schob. Wenige Augenblicke später tauchten Jael und das Schiff in die
mit Sternen gespickte Schwärze ein, in die grandiose Leere einer
gewöhnlichen Nacht, die Unendlichkeit, welche die Heimat der Menschen
darstellte. Anfangs machte sie nicht einmal den Versuch einer
Ortsbestimmung; sie stieà lediglich einen groÃen Seufzer der
Erleichterung aus und labte sich an dem Anblick.
Dann
nahm sie eine Peilung vor, und in der Tat handelte es sich bei dem
gelben Stern, der in der Nacht gleiÃte, um die Sonne von Lexis. Sie
hatte das angesteuerte Sternsystem erreicht und befand sich in dessen
Randzone. Unverzüglich meldete sie sich bei der Raumfahrtbehörde von
Lexis und forderte einen Schlepper an.
Seit Mogurns
Attacke waren zwei Tage vergangen. Es waren die zwei längsten Tage
ihres Lebens gewesen, und in dieser Zeit hatte sie etwas gelernt. Sie
war sich darüber im Klaren, dass sie sich immer noch nach dem Pallisp
sehnte, obwohl es ihn gar nicht mehr gab; und sie wusste nicht, ob sie
sich jemals von dieser Abhängigkeit würde befreien können. Doch sie
hatte die Erfahrung gemacht, dass sie gegen die Sucht ankämpfen konnte
â so lange der Pallisp entzwei war und keine reale Versuchung bestand.
Ihre Entschlossenheit, sich von dieser Gier zu lösen, war ebenso
ungebrochen wie ihr Verlangen nach dieser Droge.
Sie
betete auch, endlich von den
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