Im Hyperraum
hätte ich diesen Treueeid selbst geschworen.
Trotz ihres Kummers kam Jael nicht umhin, Highwings Entschlossenheit zu bewundern. Hat er es nur von dir verlangt? Was ist mit deinen Brüdern?
Sie weigerten sich. Die Stimme des Drachen klang ärgerlich. SchlieÃlich
wandten sie sich gegen ihn. Nannten ihn einen Verräter des Reiches und
einen Unruhestifter. Zwei meiner Brüder waren es, die euch angriffen,
als ich kam und euch in Sicherheit brachte.
Jael wurde blass.
Meine eigene Sippe, murmelte Windrush, als könne er es selbst nicht glauben.
Ein
lautes Knacken ertönte von der Feuerstelle, die sich hinter Jael
befand, und sie zuckte zusammen, als eine Flamme in die Höhe loderte.
Sie schaute Ar an, der mit groÃen, teilnahmslosen Augen ihren Blick
erwiderte. Etwas schnürte ihr die Kehle zu, und sie wandte sich
abermals Windrush zu. Dann ⦠muss Highwing mich ja hassen, flüsterte sie. Für all das Gute, das er mir erwiesen hat, musste er bitter büÃen. Von seinen eigenen Söhnen wurde er verstoÃen.
Er hat es nie bereut, mit dir Freundschaft geschlossen zu haben!, donnerte Windrush. Mein
Vater hätte immer wieder so gehandelt. Manchmal habe ich mich gefragt,
ob er nicht vielleicht verrückt ist. Ich habe immer an ihn geglaubt.
Aber wie lange kann ich meinen Glauben an ihn noch bewahren? Der
Drache hob den Kopf und blies eine Stichflamme gegen die Decke, während
er ein Geheul von sich gab, das die Höhle erbeben lieÃ.
Jael
zitterte. Ein Bild drängte sich ihr auf; es entstammte der
Seelenverschmelzung mit Windrush. Erst jetzt verstand sie, was diese
Szene bedeutete: Drei von vier Söhnen lieÃen ihren Vater im Stich; zwei
flogen in offener Rebellion davon, während der dritte bereits den
Verlockungen einer Macht erlegen war, die sich nicht einmal dem Reich
offenbarte. Einzig und allein Windrush hielt fest zu dem Vater, und
Windrush verzehrte sich vor Kummer und Furcht.
Ein
weiteres Bild folgte dem ersten: ein pechschwarzer Gipfel stieà in den
Himmel hinein, die höchste Bergspitze im ganzen Reich. In der Nähe des
Gipfels sammelten sich Hunderte von Drachen. Auch dieses Bild hatte sie
nicht zu deuten gewusst, als sie es in Windrushs Geist erblickte. Nun
jedoch verstand sie den Sinn. Auf dieser Bergspitze erwartete ein
einsamer Drache die Vollstreckung seines Todesurteils. Nichts und
niemand konnte dies verhindern, kein Mensch und auch kein Drache.
Es war mehr, als sie ertragen konnte. Bring mich zu ihm! Bitte!, flehte sie Windrush an und fiel zitternd neben dem Drachen auf die Knie. Ich kann es nicht zulassen, dass er stirbt â wegen mir! Dazu darf es nicht kommen!
Und was willst du dagegen unternehmen?, grollte Windrush, dessen Stimme als verwirrendes Echo in ihrem Kopf widerhallte. Du
kannst nicht das Geringste tun, und es hätte keinen Sinn, wenn wir alle
gemeinsam zu Tode kämen. Doch eines verspreche ich dir: Mein Vater wird
stolz in den Tod gehen.
Jael lehnte sich gegen die
Vordertatze des Drachen und weinte vor Hilflosigkeit. Stolz in den Tod
gehen? Was hatte man davon, wenn man voller Stolz starb? Das Ganze war
für sie zu viel. Sie konnte nicht mehr denken, noch argumentieren, noch
sprechen. In ihrem Kopf verschwamm alles. Highwing, nein ⦠nein ⦠nein
â¦!
Jemand sprach zu ihr.
Sie blinzelte
die Tränen fort und merkte, dass Ar vor ihr stand, und dass die Stimme,
die penetrant ihren Namen kreischte, Ed gehörte. Dann schloss Ar sie in
seine Arme, und die Tränen begannen erneut zu flieÃen, während sie sich
mit heftigen Schluchzern an Ars Brust ausweinte.
â
I N DER H ÃHLE WAR ES KALT ,
und Jael konnte noch so rüstig vor dem Feuer hin und her stapfen,
nichts vertrieb die Eiseskälte aus ihren Knochen und ihrem Herzen. Ar
saà da und sah ihr bei ihrer Wanderung zu. Einmal hatte er versucht,
sie zu überreden, sie solle sich für eine Weile aus dem Netz
zurückziehen und sich ausruhen oder schlafen. Sie weigerte sich, denn
sie war nicht bereit, dieses Reich auch nur für einen Moment zu
verlassen, aus Angst, die prekäre Verbindung zu ihrem alten Freund
könnte abreiÃen.
Windrush war in einen sonderbaren,
unruhigen Schlaf gefallen. Die halb geschlossenen Augen rollten in
ihren Höhlen. Von Zeit zu Zeit stoben Qualmsäulen und Funken aus seinen
Nasenlöchern. Es schien, als habe er sich im Geist irgendwohin
geflüchtet, als reisten seine Gedanken durch dieses
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