Im Informationszeitalter
persönliche Freiheit und damit auch das Ausmaß der individuellen Verantwortung für unsere Taten reduzieren. Wir treten langsam unter die Kuratel der Computersysteme, die scheinbar unseren Freiheitsraum vergrößern, sie aber in Wirklichkeit -angeblich zum unseren Wohle - reduzieren.
Geschrieben im Oktober 1997
Die Megabitbombe
Stanislaw Lem 12.09.2001
Von der Verschmutzung der Informationsumwelt und den ausfransenden Rändern des Wissens
Der Titel dieses Essays, der aus dem 1964 erschienenem Buch “Summa Technologiae” übernommen wurde, hat sich im Lauf der Zeit ein wenig in seiner Bedeutung erweitert. Damals dachte ich vor allem an das exponentielle Wachstum der sich aufhäufenden Daten aus der Wissenschaft, vor allem aus den exakten Wissenschaften, also der Physik, Astrophysik, Biologie, Geologie, Anthropologie und so weiter. Schon die ebenso spontane und wohl unumkehrbare wie grundsätzlich unvorhergesehene Entstehung der Computernetze, die die Erde mit unterschiedlicher Verbindungsdichte elektronisch umflechten, gebietet, den lawinenartig anwachsenden Informationsbestand erneut zu betrachten.
Dabei handelt es sich nicht um eine in den Bibliotheken, Universitätsinstituten, militärischen Hauptquartieren oder Börsen und Banken gewissermaßen eingefrorene oder erstarrte Information, sondern eher um Information in permanenter Bewegung, die in den Dickichten der das World Wide Web bildenden Netze, also im Spinngewebe der Kommunikation umherwandert, das ihr Leistungspotential unaufhörlich erweitert. Man könnte eine Taxonomie aufbauen, indem man etwa zwischen den Mikro-, Makro- und Megavarianten oder auch -arten der Information unterscheidet. Die weiter zunehmenden riesigen Mengen der durch die
Menschheit gesammelten Erkenntnis haben - sogar in Gestalt radikalster Zusammenfassungen - diegeistige Kapazität eines Individuums längst übertroffen. Die Einfachheit des Zuganges (nicht nur im Netz) zu irgendwelchen Daten hat die Situation der
“Wissenshungrigen” keinesfalls verbessert. Die sich verschlechternde Situation wird durch durch verschiedene Faktoren beeinflusst.
Die Informationsumwelt wird von einer
fürchterlichen Menge an Unsinn und Lügen
verschmutzt. Dieser Unsinn verdankt seine
Verbreitung den terrestrischen und orbitalen Fernsehnetzen, über die er aus den immer
zahlreicheren Satellitenschüsseln ausgestrahlt wird. Es scheint, als würde es in Zukunft entweder zu einer “Zerstückelung” in einzelne Bereiche der Fernsehemission kommen, was ja schon teilweise stattfindet, oder die staatliche Legislative könnte sich gezwungen sehen, eine Selektion der Dummheiten durchzuführen. Gegenwärtig sind lediglich Visualisierungen von einigen als pathologisch und unwürdig geltenden Arten der menschlichen sexuellen Aktivität (mit der Pädophilie an der Spitze) sowie die Veröffentlichung von politischen und militärischen Geheimnisse verboten. Typisch sind dagegen Gaukeleien, angefangen von außersinnlichen Phänomene wie der Telepathie oder Telekinese über das Hellsehen bis zur Astrologie mit ihrer schon oft bewiesenen Fiktionalität der attraktiven Lüge. Dann gibt es noch die Fernsehsendungen aus dem SF-Bereich, die aus den USA stammen. Nach ihnen sollte man das Weltall als einen Raum verstehen, der einfach so von intelligenten, meist jedoch albernen, außerirdischen Zivilisationen angefüllt ist. Werden diese von der Erde bei Konflikten kontaktiert, so kann das leicht zu einem “Krieg der Sterne” führen.
Man zeigt dem irdischen Publikum das Universum ganz allgemein als Hyper-Superschlägerei bei zwischenkulturellen Zusammenstößen, wobei pseudowissenschaftliche Geräte die Rolle der vormaligen unschuldigen, weil einfach als erfunden erkennbaren Requisiten spielen: die “schleppenden” (tractor beam in “Enterprise”) und zerstörenden Strahlen sowie die speziell gestalteten Lügenmärchen (Superman, Batman, Spiderman u.ä. mit weiblichen “antisexistischen” Varianten). Daneben gibt es den beliebten Bereich der Kriminalermittlungen, bei denen man “mit der Leiche beginnt” und in denen es um Drogenschmuggel, Überfälle, Geiselnahmen oder die Suche nach Sprengladungen geht, die (oft) ferngesteuert explodieren sollen. Das Repertoire wird völlig von den Einschaltquoten der Zuschauer bestimmt, deren Wünsche wie in Deutschland durch Analysen kontrolliert werden.
Die Zahl der
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