Im Informationszeitalter
sich in Datenbanken einschleichen, wobei sie bei entsprechender Vorgehensweise unerkannt zu bleiben verstehen. 1994 stahl eine Gruppe russischer Hacker Codes und Passwörter der Citibank-Kunden und konnte zehn Millionen Dollar auf Konten in Übersee überweisen. Sechs Russen wurden allerdings, wie der NY Herald berichtet, ausgeliefert und haben die Tat zugegeben. Nach Angaben der Bank ist es gelungen, das Geld mit Ausnahme von 400.000 Dollar zurückzubekommen.
Verteidigungsminister empfehlen, ein
Verteidigungsnetzwerk einzurichten, in dem selbstverständlich alles verschlüsselt wird. Andererseits weiß man, dass eine Verschlüsselung, die mehr als einmal eingesetzt wird, mit Hilfe von Computern geknackt werden kann. Es wird auch empfohlen, schwer zu erratende oder zu knackende Passwörter zu benutzen (“Der Fuß ist das Ohr der Hand”), und insbesondere rät man, dass die Bankkunden die Passwörter nicht selbst erfinden, sondern diese Aufgabe den Computerprogrammen überlassen sollen, die echte stochastische Sequenzen von Buchstaben, Ziffern und Zeichen liefern können.
Leider zeigt sich aber, dass die einfachste Quelle der durch Chiffren versiegelten Geheimnisse ein interner Informant sein kann, z.B. ein verbitterter oder beleidigter Beamter, ein Angestellter oder ein Berater.
Das sollte uns nicht allzu sehr wundern, wenn wir uns bewusst machen, dass ein kahlköpfiger und bärtiger Mikrobiologe die New Yorker U-Bahn mit den Milzbrand-Bakterien (Anthrax) zu verseuchen versuchte, also nicht irgendein Grünschnabel, sondern ein extremistischer Ideenverfechter, der sich ausrechnete, dass es ihm gelingen werde, auf einmal ca. 100.000 Passagiere zu töten. Wenn die Ethik (ich erinnere an den Fall des “Unabombers”, der auch Wissenschaftler war und aus seiner Einöde heraus an verschiedene Gelehrte Sendungen schickte, die den Empfängern beim Auspacken die Hände und den Körper zerrissen) auch in wissenschaftlichen Kreisen auf den Hund gekommen ist, ist es schwierig, sich über die Angestellten irgendwelcher Banken zu wundern, die für eine mäßige Gebühr bereit sind, ihnen bekannte Daten zu den Verschlüsselungen, Kodes und Konten demjenigen mitzuteilen, der zahlt.
Die Kämpfe werden mit technischen Mitteln ausgetragen, die von den einen als Dietriche zum Sesam eingesetzt und von den anderen dafür benutzt werden, diese zu überführen und in den Knast zu bringen. Übrigens stellt die Tatsache ein offenes Geheimnis dar, dass keine Bank beabsichtigt, sich allzu laut zu beklagen, denn das Wissen um die durch den Einbruch in die informationstechnologische Schatzkammer verursachten Verluste würde nur die Kunden abschrecken.
Die Aufzählung der bereits bekannten Schlachten, die mit Informationen und nicht mehr mit Säbeln ausgetragen werden, könnte beliebig fortgesetzt werden. Die Taten, sagt ein Experte der Kriminologie, können gegenwärtig von jedem begangen werden. Als Verbrecher erweisen sich Spezialisten, die unter Vertrag stehen, oder ganze Unternehmen, die ein Computersystem betreuen - und bei der Gelegenheit stehlen sie die Daten, die später von Dritten - Personen oder Institutionen - verwertet werden können.
Übrigens beginnen wir hier langsam die Domäne der Verbrechen zu verlassen, deren Hauptinstrumente und -opfer hauptsächlich die Netzwerke und ihre Computerknoten sind. Hier ist nichts zu machen, weil die Bedingung sine qua non der anständigen Tätigkeit ähnlich wie im breiten Wirtschaftsbereich einfach die Redlichkeit ist. Die Netze haben den Menschen, deren Verhältnis zur Ehrlichkeit eher kalt ist, eine weitere große Chance eröffnet. Gott sei dank ist der Kampf zwischen den USA und der UdSSR zu Ende. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit den Voraussagen von Francis Fukuyama, der behauptete, dass es, weil der Marktkapitalismus und die Demokratie gewonnen haben, immer nur dasselbe - also die Langweile -geben wird. So gut ist es nicht: Ich versichere, langweilig wird es nie und nimmer sein.
Die Machtübernahme
Stanislaw Lem 31.12.2001
Zur Krisensituation im informationstechnologischen Bereich
Wir erleben gerade ein vor mehr als zehn Jahren begonnenes ziemlich erschütterndes Phänomen, das Thomas Kuhn als Paradigmenwechsel in der Wissenschaft bezeichnete und das vor ihm der Pole Ludwik Fleck als Erstarren von Erkenntnisinnovationen im Kreislauf zwischen den Experten beschrieb. Weder die Konzeption von Kuhn noch der wegbereitende Gedanke von Fleck sind eine adäquaten
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